Transcriber’s Note:
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German Science Reader
AN
INTRODUCTION
TO
SCIENTIFIC GERMAN
FOR
STUDENTS OF PHYSICS, CHEMISTRY AND ENGINEERING
BY
CHARLES F. KROEH, A. M.
Professor of Modern Languages in Stevens Institute of Technology.
COPYRIGHT 1907 BY CHARLES F. KROEH
HOBOKEN. N. J.
PUBLISHED BY THE AUTHOR.
PREFACE.
The aim of this Reader is not merely to afford the student a certain
amount of experience in reading scientific German, but to attack the
subject systematically. The selections are not chosen at random. They
are arranged progressively and consist of fundamental definitions,
descriptions, processes and problems of Arithmetic, Algebra, Geometry,
Physics and Chemistry. These are linguistically the most
important subjects for scientific and engineering students to read
first, because they contain the terms and modes of expression which
recur in all subsequent reading, and because they contain these terms in
the simplest possible connections. A student who has mastered these
pages will find no difficulty in reading any scientific German he may
meet in his professional work.
To the Student.—Do not be content with simply translating these
selections. Let your object be to acquire first a good working
vocabulary for all future time and secondly the ability to understand
German by merely reading it. Both ends are gained by reading over the
German several times after you have translated it. The best way is to
read it aloud, observing pauses and emphasis, as if you were
communicating the thoughts of the book to another person. Pronouncing
words, phrases and sentences is a great help to the memory.
A GERMAN SCIENCE READER.
1.
ARITHMETIK UND ALGEBRA.
Study carefully the notes (beginning page 97) to which the
small numbers in the text refer.
Arithmetik ist ein Fremdwort, das auf deutsch Zahlenlehre bedeutet.
1 + 2 = 3 wird gelesen: eins und zwei (oder eins plus zwei) ist drei.
25 – 13 = 12 wird gelesen: 25 weniger (oder minus) 13 ist 12.
2 × 3 = 6 wird gelesen: 2 mal 3 ist 6.
72 ÷ 6 = 12 wird gelesen: 72 dividiert durch 6 ist 12.
Alle Posten1 zusammengenommen sind der Summe gleich.
Die Differenz kann als diejenige Zahl betrachtet werden, welche übrig
bleibt, wenn man den Subtrahend vom Minuend wegnimmt; oder als diejenige
Zahl, welche man zum Subtrahend addieren muss, um den Minuend zu
erhalten; oder auch als diejenige Zahl, welche man vom Minuend abziehen
muss, um den Subtrahend zu erhalten.
Besteht2 eine Zahl aus zwei Faktoren, so ist der eine Faktor gleich
dem Produkt dividiert durch den anderen Faktor.
Der Divisor ist die teilende, der Dividend die zu teilende Zahl.[Pg 2]
Der Quotient ist gleich dem Dividend, wenn man denselben durch den
Divisor dividiert.
Der Dividend ist ein Produkt aus dem Quotienten und dem Divisor.
Wievielmal3 grösser man den Dividend macht, sovielmal grösser wird
dadurch auch der Quotient.
Multipliziert man den Dividend und ebenso den Divisor mit einer und
derselben Zahl, so bleibt der Quotient unverändert.
Je kleiner man den Divisor macht, desto grösser wird der Quotient.
Um4 einen n mal grösseren Quotienten zu erhalten, kann man entweder
den Dividenden n mal grösser oder aber5 den Divisor n mal kleiner
machen.
Brüche. In je mehr Teile ein bestimmtes Ganzes geteilt wird, desto
kleiner werden die Teile.
Je grösser der Zähler eines Bruches bei gleichem Nenner ist, desto
grösser ist sein Wert.
Um einen Bruch seinem Werte nach6 n mal kleiner zu erhalten, kann man
entweder einen Zähler durch n dividieren oder seinen Nenner mit n
multiplizieren.
Wird eine Zahl mit 10 multipliziert, so erhält jede Art der Einheiten7
derselben den zehnfachen früheren Wert, und daher den Namen der nächst
höheren Art von Einheiten.
Schriftlich8 wird dies angedeutet, indem9 man jede Ziffer in die
nächst höhere Stelle rückt, welches dadurch bewirkt wird, dass man das
Dezimalzeichen um eine Stelle von der Linken gegen die Rechte rückt.
Ist die Zahl eine ganze Zahl, so wird die10 dadurch leer werdende
Stelle der Einer mit einer Null ausgefüllt.
Um einen gegebenen Dezimalbruch mit einer ganzen Zahl zu multiplizieren,
betrachte man ihn als eine ganze Zahl[Pg 3] und schneide sodann vom Produkte
soviele Dezimalstellen ab, als deren der gegebene Dezimalbruch enthält.
2.
Eine Zahl enthält den Faktor 9 und ist daher durch 9 teilbar, wenn die
Quersumme1 der Ziffern, mit welcher die Zahl geschrieben wird, durch 9
teilbar ist.
Eine Zahl enthält den Faktor 11 und ist also2 durch 11 teilbar, wenn
die Quersumme der ersten, dritten, fünften, siebenten etc. (d. h.8 der
ungeradstelligen3) gleich der Quersumme der 2., 4., 6., 8., etc.
(d. h. der geradstelligen) Ziffern, von der Rechten gegen die Linke
gezählt, ist, oder die Differenz dieser beiden Quersummen 11 oder ein
Mehrfaches4 von 11 beträgt.
Nur Brüche mit gleichen Nennern5 können addiert und subtrahiert
werden.
Gleichnamige Brüche werden addiert, indem man ihre Zähler5 addiert.
Brüche mit ungleichen Nennern werden addiert oder subtrahiert, indem
man6 sie zuerst in Brüche mit gleichen Nennern verwandelt, und diese
sodann addiert oder subtrahiert.
Man zerlege die Nenner der gegebenen Brüche in ihre Grundfaktoren,7
d. h. in ihre kleinsten Faktoren.
Man nehme aus der Reihe dieser Grundfaktoren zur Bildung des
gemeinschaftlichen Nenners so viele als zur Darstellung jedes einzelnen
Nenners, an und für sich9 betrachtet, nötig sind.
Aus den auf diese Weise ausgewählten Grundfaktoren bildet man sodann ein
Produkt; dieses ist alsdann der kleinste gemeinschaftliche Nenner.[Pg 4]
Unter Brüchen von gleichen Nennern und ungleichen Zählern ist derjenige
der grössere und beziehungsweise10 der grösste, welcher den grösseren
bezw. den grössten Zähler hat, und umgekehrt; und zwar: wievielmal
grösser oder kleiner der Zähler eines Bruches als der Zähler eines
anderen Bruches ist, sovielmal grösser oder kleiner ist auch der Wert
des einen als der Wert des anderen Bruches.
Ein Bruch wird mit einer ganzen Zahl multipliziert, entweder (a) indem
man den Zähler mit der ganzen Zahl multipliziert; oder (b) indem man den
Nenner durch die ganze Zahl dividiert.
Ein Bruch wird durch einen andern Bruch dividiert, indem man den Disivor
umkehrt, (d. h. indem man dessen Nenner zum Zähler macht) und alsdann
mit demselben multipliziert.
Das Verfahren, den grössten gemeinschaftlichen Faktor zweier Zahlen zu
finden, besteht darin11, dass man mit der kleineren der beiden Zahlen
in die grössere, mit dem hierbei erhaltenen Reste in den vorigen
Divisor, mit dem hierbei bleibenden Reste in den nächst vorhergehenden
Divisor etc. dividiert. Erhält man endlich keinen Rest mehr, so zeigt
dies an, dass der letzte Divisor der grösste gemeinschaftliche Faktor
der beiden betreffenden12 Zahlen ist.
Man findet das vierte Glied12 einer geometrischen Proportion, indem
man das Produkt des zweiten und dritten Gliedes durch das erste Glied
dividiert.
Das Produkt der äusseren Glieder ist gleich dem Produkt der inneren
Glieder. Das erste Hinterglied13 verhält sich zum ersten
Vorderglied13, wie das zweite Hinterglied zum zweiten Vorderglied.
Eine Progression heisst steigend, wenn jedes folgende[Pg 5] Glied derselben
grösser; fallend, wenn jedes folgende Glied kleiner ist als das
vorhergehende.
3.
AUFGABEN.
1. Die Zahl 5 soll1 erhoben werden: a) ins Quadrat2, b) in den
Kubus, c) ins Biquadrat, d) in die fünfte Potenz.
2. Aus 64 soll ausgezogen werden: a) die Quadratwurzel, b) die
Kubikwurzel.
3. Bei einem Geschäfte verdienen 5 Arbeiter in 42 Tagen bei 8stündiger
Arbeit $210. Was würden 9 Arbeiter in 35 Tagen bei 10stündiger Arbeit
verdienen?
Auflösung. Je mehr Arbeiter, desto mehr Verdienst; also setzt man 5:9.
Je weniger Tage, desto weniger Verdienst; also 42:35. Je mehr Stunden,
desto mehr Verdienst; also 8:10. Nun multipliziert man $210 mit dem
Produkt aus den Hintergliedern und dividiert durch das Produkt aus den
Vordergliedern, was man dadurch vereinfacht3, dass man erst die
gemeinschaftlichen Faktoren herausnimmt.
4. Ein Kaufmann findet, dass er durch einen glücklichen Handel mit
seinem angelegten Kapital 15 Prozent gewonnen hat und dass dasselbe
dadurch auf $15,571 angewachsen ist. Was war sein angelegtes Kapital?
Antwort: $13,540.
5. Ein Vater sagt zu seinem Sohne: Gegenwärtig bin ich gerade sechsmal
so alt als du; nach zwölf Jahren werde ich nur dreimal so alt sein als
du; wie alt ist der Vater und wie alt der Sohn?
Auflösung. Es sei4 x das gegenwärtige Alter des Sohnes; also ist 6x
das des Vaters.[Pg 6]
In 12 Jahren ist der Sohn x+12 und der Vater 6x+12 Jahre alt.
Da des Vaters Alter dann 3mal das des Sohnes beträgt5, so muss man das
des Sohnes mit 3 multiplizieren, um die Gleichung 6x+12=3x+36 zu
erhalten.
Indem man nun die x zur linken und die Zahlen zur rechten des
Gleichheitszeichens sammelt, erhält man 3x=24, oder x (das gegenwärtige
Alter des Sohnes)=8, woraus 6x (das gegenwärtige Alter des Vaters)=48.
Beweis. Die Rechnung stimmt6, denn in 12 Jahren hat der Sohn 8+12=20
und der Vater 48+12=60 Jahre, ist also dreimal so alt.
6. Zwei Kapitalisten berechnen ihr Vermögen. Es ergiebt sich, dass der
eine doppelt so reich ist als der andere und dass sie zusammen $38,700
besitzen. Wie reich ist nun jeder?
7. Alle meine Reisen zusammen, erzählt ein Reisender, belaufen7 sich
auf 3040 Meilen; davon machte ich 3-1/2 mal so viel zu Wasser als zu
Pferde, und 2-1/3 mal so viel zu Fuss als zu Wasser. Wie viele Meilen
reiste dieser Mann auf jede von den drei erwähnten Arten? (240, 840,
1960).
8. Unter 3 Personen, A, B, C, sollen $1170 nach Verhältnis ihres Alters
verteilt werden. Nun ist B um den dritten Teil älter, C aber doppelt so
alt als A. Wie viel erhält jeder? (A 270, B 360, C 540).
9. Es werden 3 Zahlen von der folgenden Beschaffenheit8 gesucht. Wenn
man von der ersten 4 abzieht und ebensoviel der zweiten zusetzt, so
verhält9 sich der Rest zur Summe wie 1 zu 2. Zieht10 man von der
zweiten 10 ab und setzt zur dritten ebensoviel zu, so verhält sich der
Rest zur Summe wie 3 zu 10. Zieht man aber von der ersten 5 ab[Pg 7] und
setzt diese der dritten zu, so verhält sich der Rest zur Summe wie 3 zu
11. Welche Zahlen sind es? (20, 28, 50).
4.
10. Eine Wittwe soll1, nach dem Testamente ihres verstorbenen
Ehemannes, mit ihren 2 Söhnen und 3 Töchtern eine Summe von $7500
teilen; und zwar2 soll jeder Sohn doppelt so viel bekommen wie jede
Tochter, sie selbst aber gerade so viel3 wie ihre Kinder
zusammengenommen und noch überdies4 $500. Wie viel wird die Wittwe und
jedes ihrer Kinder bekommen? (4000, 1000, 500).
11. Aus einem gewissen Orte wird ein Bote abgeschickt, der alle 5
Stunden 7 Meilen zurücklegt5. 8 Stunden nach seiner Abreise wird ihm
ein zweiter nachgeschickt, und dieser muss, um jenen einzuholen, alle 3
Stunden 5 Meilen machen. Wann werden sie sich begegnen? (Antwort: 42
Stunden nach der Abreise des zweiten Couriers).
12. Um Zwölfe stehen beide Zeiger einer Uhr über einander. Wann und wie
oft werden diese Zeiger in den nächsten 12 Stunden wieder übereinander
stehen? (Antwort: 11 mal, 5-5/11 Minuten nach Eins und in jeder
folgenden Stunde 5-5/11 Minuten später).
13. Drei Maurer sollen eine Mauer aufführen. Der erste kann 8 Kubikfuss
in 5 Tagen, der zweite 9 Kubikfuss in 4 Tagen, und der dritte 10
Kubikfuss in 6 Tagen zu Stande bringen6. Wie viel Zeit werden diese 3
Maurer brauchen, wenn sie gemeinschaftlich arbeiten, um 756 Kubikfuss
von dieser Mauer aufzuführen? (137-13/331).
14. Ein Hund verfolgt einen Hasen. Ehe der Hund zu laufen anfängt, hat
der Hase schon 50 Sprünge gemacht. Wenn nun der Hase in eben7 der Zeit
6 Sprünge macht, in welcher der Hund 5 Sprünge tut, und 9 Hasensprünge
gleich[Pg 8] 7 Hundesprüngen sind, wie viele Sprünge wird der Hase noch
machen können, ehe der Hund ihn einholt? (700).
15. Ein Kaufmann ist genötigt,8 um eine dringende Schuld zu bezahlen,
eine gewisse Waare auf den Einkaufspreis herabzusetzen.9 Wegen
schlechter Buchführung kennt er weder das Gewicht noch den
Einkaufspreis. Er erinnert sich nur so viel, dass er, wenn er das Pfund
für .30 verkauft hätte, $12 daran gewonnen, und wenn er es für .22
verkauft hätte, $36 daran verloren haben würde. Wie gross war nach
diesen Angaben10 das Gewicht der Waare und der Einkaufspreis? (600
Pfund, .28).
16. Eine Bäuerin bringt Eier zu Markte, mehr als 100 aber weniger als
200. Sie ist unschlüssig, ob sie dieselben nach Mandeln11 oder
Dutzenden verkaufen soll; denn im ersten Fall bleiben ihr 4, im zweiten
10 Eier übrig. Wie viele Eier hat sie demnach? (154.)
17. Es soll eine Zahl gefunden werden, deren Quadrat diese Zahl um12
306 übertrifft. Welche Zahl ist es? (18.)
18. 37 Pfund Zinn verlieren im Wasser 5 Pfund, und 23 Pfd. Blei
verlieren im Wasser 2 Pfd.; eine Komposition von Zinn und Blei, welche
120 Pfd. wiegt, verliert im Wasser 14 Pfd. Wie viel Zinn und wie viel
Blei befinden sich darin? (74 Zinn, 46 Blei.)
19. Es werden zwei Zahlen gesucht, deren Summe 70 und deren Differenz 16
ist. Welche Zahlen sind es? (43, 27.)
20. Zwei Zahlen sind durch folgende Merkmale13 gegeben: Vergrössert
man die erste um 4, so wird sie 3-1/4 mal so gross als die zweite;
vergrössert man aber die zweite um 8, so wird sie erst halb so gross als
die erste. (48, 16.)
21. Ein König in Indien, Namens Sheran, verlangte, nach dem Berichte14
des arabischen Schriftstellers Asephad,[Pg 9] dass Sessa, der Erfinder des
Schachspiels, sich selbst eine Belohnung wählen sollte. Dieser erbat
sich hierauf die Summe der Weizenkörner, die herauskommt, wenn eins für
das erste Feld15 des Schachbretts, 2 für das zweite, 4 für das dritte,
und so immer für jedes der 64 Felder doppelt so viele Körner als für das
vorhergehende gerechnet werden. Als gerechnet wurde, fand man, zum
Erstaunen des Königs, eine ungeheure Summe. Welche? Antwort:
18,446,744,073,709,551,615, eine Summe, welche auf der ganzen Erde, nach
einer mässigen Berechnung, erst in mehr als 70 Jahren gewonnen werden
könnte, wenn man auch16 alles feste Land zum Anbau von Weizen
benutzte.
5.
GEOMETRIE.
Eine gerade Linie ist diejenige, welche nicht aus ihrer Lage kommt, wenn
sie sich um zwei in ihr liegenden festen Punkte, z. B.1 um ihre
Endpunkte, dreht.
Die2 beiden einen Winkel bildenden Linien BA, BC, heissen die
Schenkel, und der Punkt B, in welchem sie zusammenstossen, der Scheitel
(der Scheitelpunkt, die Spitze) des Winkels.
Zwei Winkel, welche einen Scheitel gemein haben und deren beiden andern
Schenkel eine gerade Linie bilden, heissen Nebenwinkel.
Alle Winkel, welche an einerlei3 Seite einer geraden Linie liegen und
einen Scheitel in derselben gemein haben, betragen zusammen zwei rechte
Winkel.
Wenn zwei gerade Linien sich schneiden, so sind je zwei gegenüber
liegende Winkel, welche man Scheitelwinkel nennt, einander gleich.[Pg 10]
Alle Winkel, welche rings um einen gemeinschaftlichen Scheitelpunkt
liegen, betragen zusammen immer vier rechte.
Zwei Dreiecke sind kongruent4, wenn sie zwei Seiten und den5 von
denselben eingeschlossenen Winkel wechselweise gleich haben.
Aufgabe. Es6 sind alle drei Seiten, a, b, c, eines Dreiecks gegeben;
es soll das dadurch bestimmte Dreieck gezeichnet werden.
Auflösung. Man stecke7 eine der gegebenen Seiten, z. B. a in der
Linie BC ab, beschreibe aus dem einen Endpunkt B mit der Seite c als
Radius einen Bogen mn, ebenso aus C mit der Seite b als Radius einen
zweiten Bogen pq, und ziehe von dem Durchschnittspunkt A der beiden
Bögen Gerade nach B und C, so ist ABC das verlangte Dreieck.
Aufgaben. 1. Auf einer Linie BH in einem bestimmten Punkte D eine
Senkrechte zu errichten.
2. Eine gegebene Linie zu halbieren.
3. Von einem ausserhalb einer Linie GH gegebenen Punkte A eine
Senkrechte auf dieselbe zu fällen.
Wenn zwei Parallelen von einer dritten Linie geschnitten werden, so
entstehen acht Winkel:

- I. Auf einerlei Seite der Schneidenden:
- 1. Innere Winkel innerhalb der Parallelen.
- 2. Aeussere Winkel ausserhalb der Parallelen.
- 3. Korrespondierende oder gleichliegende Winkel (oder[Pg 11] Gegenwinkel) auf
einerlei Seite der Parallelen, beide unterhalb oder beide oberhalb. - II. Auf verschiedenen Seiten der Schneidenden:
- Wechselwinkel: innere, äussere, korrespondierende.
Wenn zwei Linien gegen eine dritte eine solche Lage haben, dass die
inneren Wechselwinkel gleich sind, so sind die Linien parallel.
In jedem Dreieck ist die Summe aller Winkel gleich zwei rechten.
Ein Dreieck kann also8 nur einen rechten oder nur einen stumpfen
Winkel enthalten; die beiden andern müssen alsdann9 spitz sein.
Der Aussenwinkel am Dreieck ist gleich der Summe der beiden innern
gegenüber liegenden Winkel.
Unter Aussenwinkel ist derjenige gemeint, den die Verlängerung einer
Seite mit der daran stossenden10 bildet.
6.
Der Kreis ist eine1 von einer krummen Linie so begrenzte ebene Figur,
dass alle ihre Punkte von einem innerhalb liegenden Punkte, den man
Mittelpunkt oder Centrum (Zentrum) nennt, gleich weit entfernt sind.
Die2 vom Mittelpunkt des Kreises auf eine Sehne3 gefällte Senkrechte
halbiert die Sehne und den dazu gehörigen4 Bogen.
Aufgabe. Durch 3 ganz beliebig5 gegebene, jedoch nicht in gerader
Linie liegende Punkte A, B, C, einen Kreis zu beschreiben.
Auflösung. Man verbinde zwei und zwei Punkte AB und BC, so kann man
die Linien AB und BC als Sehnen des zu beschreibenden Kreises
betrachten. Errichtet man also[Pg 12] auf deren Mittel Perpendikel, so muss
jedes derselben durch den gesuchten Mittelpunkt gehen.
Der Centriwinkel6 ist immer doppelt so gross als der auf demselben
Bogen stehende Peripheriewinkel7.
Jeder Winkel im Halbkreise ist ein rechter Winkel.
In jedem Parallelogramm sind die gegenüber liegenden Seiten und Winkel
einander gleich, und eine Diagonale teilt es in zwei kongruente
Dreiecke.
Parallelogramme von gleicher Grundlinie und Höhe sind inhaltsgleich.8
Der Inhalt eines Dreiecks ist gleich dem halben Produkt aus Grundlinie
und Höhe.
DER PYTHAGORAEISCHE LEHRSATZ.

Der Pythagoräische Lehrsatz. In jedem rechtwinkligen Dreieck ist das
Quadrat der Hypotenuse so gross wie die Quadrate der beiden Katheten9
zusammengenommen.
Beweis. Sei10 CAB ein bei A rechtwinkliges Dreieck,[Pg 13] und seien über
seinen drei Seiten Quadrate errichtet, so soll die Fläche des auf der
Hypotenuse BC stehenden Quadrats allein so gross sein wie die Flächen
der11 beiden auf den Katheten AC und AB stehenden Quadrate
zusammengenommen. Aus dem Scheitel A des rechten Winkels sei AL parallel
zu CH gezogen, so ist dadurch das Quadrat der Hypotenuse in zwei
Rechtecke CHLK und LKBJ geteilt, und es lässt12 sich nun zeigen, dass
jedes der beiden Rechtecke seinem benachbarten Quadrate an Inhalt gleich
ist. Zieht man nämlich noch die Hülfslinien13 AJ und CG, so haben die
beiden Dreiecke ABJ und CBG zwei Seiten und den eingeschlossenen Winkel
gleich, nämlich JB=CB.
(Man denke sich das Dreieck CBG um den Punkt B gedreht, so fällt der
Punkt C auf J und G auf A.)
Das Dreieck ABJ hat nun mit dem Rechteck LKBJ einerlei Grundlinie BJ und
gleiche Höhe KB; ebenso haben das Dreieck CBG und das Quadrat ABGF
einerlei Grundlinie BG und gleiche Höhe AB, daher:
△ ABJ=1/2 Rechteck KBJL und CBG=1/2 Quadrat ABGF.
Da nun die beiden Dreiecke ABJ und CBG gleich gross sind, so ist auch
1/2 Rechteck KBJL=1/2 Quadrat ABGF, also auch das ganze Rechteck so
gross wie das ganze Quadrat.
Ebenso zeigt man an der andern Seite, indem man14 die Hülfslinien AH
und BD zieht, dass auch das Rechteck CHLK dem Quadrat ACDE an Fläche
gleich ist, und folglich auch beide Rechtecke zusammen, d. i.15 das
Quadrat der Hypotenuse, so gross ist, wie die Summe der Quadrate der
beiden Katheten.
Zusatz. Das Quadrat der einen Kathete ist so gross wie das Quadrat der
Hypotenuse weniger dem Quadrat der andern Kathete.[Pg 14]
7.
Parallellinien. Zwei gerade Linien, welche in einerlei Ebene liegen
und nach keiner Seite hin1 zusammentreffen, wie weit2 man sie auch
verlängert denken mag, heissen parallel (gleichlaufend3).
Wenn man auf dem einen Schenkel eines Winkels gleiche Stücke abschneidet
und durch die Teilpunkte Parallele an den andern Schenkel zieht, so
schneiden diese auch auf dem andern Schenkel gleiche Stücke ab.
Parallelen zwischen den Schenkeln eines Winkels schneiden auf denselben
proportionale Stücke ab.
Zwei Figuren heissen ähnlich, wenn sie gleichwinklig sind und die4 in
gleicher Ordnung zwischen gleichen Winkeln liegenden Seiten dasselbe
Verhältnis zu einander haben.
In ähnlichen Dreiecken sind die5 den gleichen Winkeln gegenüber
liegenden Seiten proportional.
Die Umfänge ähnlicher Figuren verhalten sich6 wie zwei ähnlich
liegende Seiten, ihre Inhalte aber wie die Quadrate ähnlich liegender
Seiten.
Wenn in einer Proportion die beiden innern Glieder gleich sind, wie in
2:6=6:18, so heisst eines der gleichen mittlern Glieder die mittlere
Proportionale oder das geometrische Mittel der beiden äussern.
Das Perpendikel von einem beliebigen Punkte der Peripherie eines Kreises
auf den Durchmesser ist die mittlere Proportionale zwischen den beiden
Abschnitten des Durchmessers.
Die7 vom Scheitel des rechten Winkels eines rechtwinkligen Dreiecks
auf die Hypotenuse gefällte Senkrechte ist das geometrische Mittel
zwischen den Abschnitten der Hypotenuse.
Jede der beiden Sehnen ist die mittlere Proportionale[Pg 15] zwischen dem
anliegenden8 Abschnitt des Durchmessers und dem ganzen Durchmesser.
Jede Kathete ist das geometrische Mittel zwischen dem anliegenden
Abschnitt der Hypotenuse (begrenzt durch die Höhe auf derselben) und der
Hypotenuse selbst.
Aufgabe. Ein Quadrat zu zeichnen, welches so gross ist wie ein
gegebenes Rechteck; mit anderen Worten, ein gegebenes Rechteck PBDE in
ein an Inhalt gleiches Quadrat zu verwandeln.
Auflösung. Es kommt nur darauf an,9 zu den beiden gegebenen Seiten
des Rechtecks PE und PB die mittlere Proportionale x zu finden, so dass
PE:x=x:PB, denn dann ist x2=PE.PB.
Man füge also PE geradlinig an PB, so dass AP=PE, beschreibe über AB,
als Durchmesser, einen Halbkreis, errichte in P auf AB das Perpendikel
MP, so ist das über dieses Perpendikel konstruierte Quadrat MPQR das
verlangte, weil MP2=AP.PB=PE.PB.
8.
Ein Vieleck heisst regelmässig, wenn alle Seiten und alle Winkel
gleichgross sind.
Um um1 einen Kreis ein regelmässiges Viereck zu beschreiben, dessen
Seiten mit denen des eingeschriebenen parallel sind, halbiere2 man
einen Bogen in M, ziehe durch M eine Tangente, welche die verlängerten
Radien CB, CD in T und H schneidet, dann ist HT eine Seite des
um[Pg 16]schriebenen Vierecks, welche man nur in dem mit CT als Halbmesser
beschriebenen zweiten Kreise herumzutragen3 braucht.
Der Inhalt eines4 um den Kreis beschriebenen regelmässigen Vielecks
ist gleich der Fläche5 eines Dreiecks, dessen Grundlinie gleich dem
Umfang des Vielecks, und dessen Höhe gleich dem halben Radius des
Kreises ist.
Der Flächeninhalt eines Kreises ist so gross wie der eines Dreiecks,
dessen Grundlinie gleich dem Umfange und dessen Höhe gleich dem
Halbmesser des Kreises ist.
KOERPERLICHE6 GEOMETRIE.
So wie man eine gerade Linie nach beiden Enden hin bis in’s
Unendliche7 verlängert denken kann, so kann man sich auch eine Ebene
nach allen Seiten hin bis ins Unendliche ausgedehnt denken.
Durch zwei Punkte A und B, oder durch die sie verbindende gerade Linie
kann man unzählige Ebenen legen (führen).
Körper8 heisst jeder nach allen Richtungen hin begrenzte Raum. Die
Summe aller ihn begrenzenden Flächen heisst die Oberfläche des Körpers.
Die Linien, in welche sich irgend zwei9 den Körper begrenzende Ebenen
schneiden, heissen Kanten.
An den Punkten, in welchen drei oder mehrere Grenzebenen
zusammenstossen, entsteht10 das, was man, von aussen betrachtet, eine
Ecke, von innen gesehen, einen körperlichen Winkel nennt.
Jeder Körper, dessen Grundflächen11 kongruente Vielecke, und dessen
Seitenflächen, welche die parallelen Seiten dieser Vielecke verbinden,
Parallelogramme sind, heisst ein[Pg 17] Prisma, und zwar12 ein dreiseitiges,
vierseitiges etc., je nachdem die Grundflächen Dreiecke, Vierecke etc.
sind.
Walze oder Cylinder (Zylinder) heisst jeder prismatische Körper, der
zwei kongruente und parallele Kreise zu Grundflächen hat und dessen
Seitenfläche (Mantel) eine einzige solche krumme Fläche ist, deren
sämmtliche mit der Grundfläche parallele Durchschnitte der Grundfläche
gleich sind.
Man unterscheidet gerade und schiefe Cylinder, je nachdem ihre Achse
senkrecht oder schief auf der Grundfläche steht.
Würfel oder Kubus heisst jedes Parallelopiped, dessen Grundflächen und
Seitenflächen Quadrate sind, die folglich gleich und senkrecht auf
einander sind.
Kegel heisst jeder pyramidische Körper, dessen Grundfläche gewöhnlich
ein Kreis, und dessen Seitenfläche (Mantel) eine einzige solche krumme
ist, dass darin von der Spitze nach jedem Punkte der Peripherie der
Grundfläche eine gerade Linie gezogen werden kann.
9.
Die Seitenfläche eines geraden Prismas wird erhalten, indem man den
Umfang mit der Höhe multipliziert.
Pyramiden von gleich grosser Grundfläche und Höhe sind inhaltsgleich.1
Der Inhalt einer Pyramide ist gleich dem dritten Teil vom Produkte aus
Grundfläche und Höhe, oder, was dasselbe sagt, gleich der Grundfläche
mit einem Drittel der Höhe multipliziert.
Man kann den Kegel als eine Pyramide betrachten, deren Grundfläche ein
regelmässiges Vieleck von unendlich vielen Seiten ist.
Der Cylinder kann als ein regelmässiges Prisma von unendlicher
Seitenzahl betrachtet werden.[Pg 18]
Was die Mantelfläche2 des geraden Cylinders betrifft, so kann man sich
dieselbe vom Cylinder abgewickelt denken und erhält dann offenbar ein
Rechteck, dessen Höhe die Höhe des Cylinders, und dessen Grundlinie
gleich dem Umfange der Grundfläche (2πr) ist.
Die Kugel ist ein Körper von einer einzigen krummen Fläche dergestalt3
begrenzt, dass alle Punkte derselben von einem innerhalb liegenden Punkt
gleich weit entfernt sind.
Ein4 von einem grössten Kreis begrenzter Abschnitt heisst Halbkugel.
Die Oberfläche einer Kugel ist viermal so gross als die Fläche eines
grössten Kreises, und der Inhalt der Kugel so gross als der eines
Kegels, dessen Grundfläche gleich der Oberfläche, und dessen Höhe gleich
dem Radius der Kugel ist. (F=4πr2. V=4/3 πr3).
Man denke sich einen Cylinder, einen Kegel und eine Kugel gezeichnet, so
dass die Radien aller drei Körper gleich sind, und die Höhe des Kegels
und des Cylinders gleich dem doppelten Radius sind. Wie verhalten5
sich diese drei Körper, Kegel, Kugel und Cylinder hinsichtlich ihres
Kubikinhalts zu einander? Antwort: wie 1:2:3. Dieses merkwürdige
Verhältniss entdeckte Cicero auf einem6 dem Archimed in Syrakus
gesetzten Denkmale.
Die Inhalte ähnlicher Körper verhalten sich wie die Kuben ähnlich
liegender Seiten.
Zwei Körper heissen ähnlich, wenn die körperlichen Winkel wechselweise
gleich sind, und je zwei ähnlich liegende Kanten dasselbe Verhältnis zu
einander haben. Alsdann sind offenbar auch die Seitenflächen ähnlich und
beide Körper an Form vollkommen gleich, und nur an Grösse verschieden.
Zwei Körper heissen symmetrisch (ebenmässig), wenn[Pg 19] alle entsprechenden
Bestandtheile derselben, wie Ecken, Winkel, Seitenflächen etc., einzeln
genommen einander vollkommen gleich sind, jedoch in der Zusammensetzung
gerade entgegengesetzte Lage haben, so dass dasselbe Stück, welches bei
dem einen Körper rechts, oben etc., in dem andern links, unten etc.
liegt.
10.
DIE PHYSIK.
Die Physik beschäftigt sich im Wesentlichen1 mit gewissen
Erscheinungen und Veränderungen an leblosen Naturkörpern, welche nicht
von einer Aenderung des Stoffes begleitet sind.
Ein Naturkörper ist ein allseitig2 begrenzter Teil des Raumes, welcher
mit Stoff (Materie, Substanz) ausgefüllt ist.
Ein jeder Körper besitzt eine gewisse Ausdehnung; er dehnt sich nach
allen Richtungen aus. Man unterscheidet drei Hauptrichtungen: Länge,
Breite und Höhe (Dicke).
Zur Messung von Längen dient das Längenmass, dessen Einheit3 das Meter
(m) bildet; dasselbe ist der vierzigmillionste Teil des Erdumfangs von
Pol zu Pol gemessen. Die Einheit des Flächenmasses ist das Quadratmeter
(qm oder m2).
Die Einheit des Raummasses ist das Kubikmeter (cbm oder m3).
Die gesetzliche Längeneinheit bildet das4 von der Internationalen
Kommission der Masse und Gewichte in Paris aufbewahrte Normalmeter aus
Platiniridium.
Allgemeine Eigenschaften5 des Stoffs. Die Undurchdringlichkeit ist
diejenige Eigenschaft des Stoffs, vermöge[Pg 20] deren an dem Ort, wo sich ein
Naturkörper befindet, nicht gleichzeitig ein zweiter existieren kann.
Diese Eigenschaft ist uns an den starren6 und flüssigen Körpern durch
die tägliche Erfahrung geläufig7. Weniger auffallend ist sie bei den
luftförmigen Körpern. Sie zeigt sich indessen z. B., wenn man ein
umgekehrtes Trinkglas unter Wasser drückt: das Wasser füllt dasselbe
nicht an, weil die Luft nicht entweichen kann. (Hierauf beruht die
Taucherglocke). Ebenso zeigt sich die Undurchdringlichkeit der Luft an
den zerstörenden Wirkungen der Stürme.
Die Teilbarkeit der Körper ist ebenfalls Gegenstand der täglichen
Erfahrung. Manche Körper sind in hervorragendem Masse teilbar, z. B. die
edlen Metalle (das Gold lässt sich zu 0,0001 mm dicken Blättern
ausschlagen), die Farbstoffe.
Mit dem Namen Porosität wird die allgemeine Thatsache bezeichnet, dass
die Moleküle der Körper nicht dicht aufeinanderliegen, sondern dass sich
mehr oder weniger grosse Zwischenräume zwischen denselben befinden, in
welche unter Umständen die Moleküle anderer Körper eindringen können. So
lässt sich durch kompakte Metalle mittelst starken Drucks Wasser
hindurchtreiben, woraus wir schliessen müssen, dass die molekularen
Zwischenräume oder Poren der Metalle grösser sind als die Moleküle des
Wassers. Die Porosität im gewöhnlichen Sinne des Wortes, wie sie z. B.
ein Schwamm oder ein Ziegelstein zeigt, ist selbstverständlich8 keine
allgemeine Eigenschaft der Körper.
Die Eigenschaft der Zusammendrückbarkeit und Ausdehnbarkeit ist eine
Folge der Porosität. Sie beruht auf einer Aenderung der Grösse der
Molekülzwischenräume[Pg 21] durch äussern Druck oder Zug oder durch andere
Einwirkungen, z. B. durch Erwärmen und Abkühlen.
In engem Zusammenhang mit der Volumänderung der Körper steht die
allgemeine Eigenschaft der Elastizität, d. h. des Bestrebens der
Moleküle, nach dem Aufhören des äusseren Zwanges ihre frühere Lage
wieder anzunehmen.
11.
Das Beharrungsvermögen1 im allgemeinsten Sinne bezeichnet diejenige
Eigenschaft, wonach der Stoff von selbst keine Veränderungen erleidet,
sondern hierzu äusserliche Einwirkungen erfordert, welche man
Naturkräfte nennt. Man kann sogar sagen, der Stoff widersetzt sich den
Veränderungen, oder er sucht in dem Zustande zu beharren, in dem er sich
gerade2 befindet. Dieses allgemeinste Prinzip aller Naturerklärung
führt den Namen des Gesetzes von Ursache und Wirkung oder des
Kausalgesetzes3.
Ein ruhender Körper hat demnach das Bestreben, in Ruhe zu bleiben,
während anderseits ein4 etwa durch einen Stoss in Bewegung gesetzter
Körper, wenn er durch keinerlei äussere Einwirkung daran verhindert
würde, in gerader Linie und mit unveränderter Geschwindigkeit ins
Unendliche sich fortbewegen würde. Dasselbe würde geschehen, wenn wir
einen Körper in Drehung um eine Achse versetzten; auch diese Drehung
würde mit unveränderlicher Drehungsgeschwindigkeit ins Unendliche
fortdauern.
Der erste Teil des obigen Satzes wird fortwährend durch die tägliche
Erfahrung bestätigt; hierauf beruht z. B. das Durchschlagen einer
Fensterscheibe durch eine abgeschossene Kugel. Die Festigkeit5 des
Glases reicht nicht hin6, um den Widerstand, mit dem sich die ruhende
Scheibe der Annahme7 der grossen Geschwindigkeit der Kugel
wi[Pg 22]dersetzt, zu überwinden; infolgedessen8 bricht der von der Kugel
unmittelbar getroffene Teil heraus, ehe die benachbarten Teile des
Glases in so grosse Bewegung gerathen können, dass ein Springen der
ganzen Scheibe eintritt. Legt man eine Münze auf einem Kartenblatt über
die Mündung einer Flasche, so fällt sie beim Wegschnellen9 des
Kartenblatts in die Flasche.
Für den zweiten Teil des Satzes haben wir keine strengen
Erfahrungsbeweise, weil auf der Erde jede Bewegung Widerstände erfährt
und infolgedessen ein durch Stoss bewegter Körper nach längerer oder
kürzerer Zeit zur Ruhe kommt.
Beispiele10 für seit undenklichen Zeiten gleichmässige
Drehungsbewegungen bieten die Achsendrehungen der Planeten.
Statt Beharrungsvermögen gebraucht man auch den weniger
entsprechenden11 Ausdruck Trägheit.
12.
Die Schwere äussert1 sich als das Bestreben eines jeden Körpers, sich
nach dem Erdmittelpunkte hin zu bewegen. Wird2 demnach ein Körper an
dieser Bewegung nicht verhindert, so setzt sich derselbe in der Richtung
nach dem Erdmittelpunkte in Bewegung; wird jedoch durch eine feste
Unterlage3 oder durch Aufhängen diese Bewegung unmöglich gemacht, so
übt4 der Körper einen Druck oder Zug aus. Diesen Druck oder Zug nennt
man das Gewicht des Körpers.
Die Fallbewegung geschieht also5 an jedem Orte in der Richtung des
Erdhalbmessers; dieselbe Richtung nimmt ein biegsamer Faden an, an
welchem ein schwerer Körper aufgehängt ist (Lot6). Man nennt diese
Richtung die lotrechte, senkrechte oder vertikale. Eine zu dieser
Richtung recht[Pg 23]winklige Ebene oder Linie nennt man wagerecht oder
horizontal.
Um das Gewicht eines Körpers zu bestimmen, vergleicht man es mittels der
Wage mit dem Gewichte bestimmter Körper, deren Gewichte bestimmte
Vielfache7 oder Bruchteile der Gewichtseinheit sind; dieselben nennt
man kurz Gewichte.
Als Gewichtseinheit dient das Gramm (g), welches demjenigen Druck
gleichgesetzt ist, den ein Kubikzentimeter Wasser von 4° C. auf seine
Unterlage ausübt. (1000 Kilogramm (kg) sind eine Tonne (t), 100 kg sind
1 Meterzentner oder Doppelzentner.)
Ein Körper von doppeltem Volumen besitzt doppelt soviel, ein Körper von
10fachem Volumen 10mal soviel Gewicht als ein gleichartiger Körper von
einfachem Volumen, oder allgemein: Das Gewicht eines Körpers ist dem
Volumen proportional.
Gleich grosse Volumina verschiedenartiger Körper besitzen im Allgemeinen
verschiedene Gewichte.
Man nennt das Gewicht der Volumeneinheit eines Körpers sein spezifisches
Gewicht. Anstatt dessen giebt8 man gewöhnlich an wie viel mal so gross
das Gewicht eines Körpers ist als das Gewicht eines gleich grossen
Volumens Wasser von 4° C. Diese unbenannte Zahl nennt man das relative
Gewicht oder auch die Dichtigkeit oder Dichte, oder auch vielfach
ebenfalls das spezifische Gewicht.
Dieses relative Gewicht erhält man, wenn man das Gewicht des Körpers
durch das Gewicht eines gleichgrossen Wasservolumens dividiert. Ersteres
bestimmt man mit der Wage; letzteres kann auf mehrfache Weise gefunden
werden; z. B. mittels des Pyknometers9. So nennt man ein kleines
Glaskölbchen mit engem Hals und trichterförmig[Pg 24] erweiterter Mündung.
Diese kann durch einen aufgelegten Glasdeckel verschlossen werden, um
während der Wägung die Verdunstung zu verhindern. Es sei10 nun P1
das Gewicht des gut ausgetrockneten, leeren Pyknometers mit dem
Glasdeckel. Man füllt dasselbe alsdann11 bis zu etwa einem Drittel mit
der zerkleinerten Substanz; das Gewicht sei jetzt P2. Hierauf füllt
man bis zu einer12 an dem verengerten Halse angebrachten Marke mit
Wasser und sorgt dafür, dass in der eingefüllten Substanz keine
Luftblasen zurückbleiben; das Gewicht sei nun P3. Endlich entfernt
man die Substanz vollständig und füllt bis zur Marke mit Wasser; das
Gewicht sei P4. Alsdann ist das Gewicht der Substanz P=P2-P1,
das Gewicht des gleichen Wasservolumens p=P4+P2-P1-P3 und
das relative Gewicht D=P:p.
13.
Ruhe und Bewegung. Wenn ein Körper zu verschiedenen, aufeinander
folgenden Zeiten verschiedene Orte und Lagen1 einnimmt, so sagen wir,
derselbe ist in Bewegung. Bleibt2 Ort und Lage im Laufe der Zeit
ungeändert, so sagen wir, der Körper ist in Ruhe.
Wir können folgende Arten der Bewegung unterscheiden:
1. Die Bewegung des ganzen Körpers gegen ausserhalb desselben
gelegene3 Körper oder die fortschreitende4 Bewegung. Je nachdem die
Aufeinanderfolge der Orte (der Weg oder die Bahn des Körpers) eine
gerade oder krumme Linie bildet, unterscheidet man geradlinige und
krummlinige Bewegungen.
2. Die Bewegungen der einzelnen Punkte eines Körpers um einen als fest
angenommenen Punkt oder um eine feste Linie (Achse) des Körpers selbst,
die drehenden Bewegun[Pg 25]gen. Alle Bewegungen können stets aus den beiden
vorhergehenden Arten zusammengesetzt werden.
Die5 von einem6 in fortschreitender Bewegung begriffenen Körper
zurückgelegten Wege sind entweder immer gleich gross, dann heisst die
Bewegung gleichförmig; oder sie sind ungleich, dann heisst die Bewegung
ungleichförmig oder veränderlich. Werden7 im zweiten Falle diese Wege
im Laufe der Zeit immer kleiner, so nennt man die Bewegung verzögert;
werden sie grösser, beschleunigt.
Die Geschwindigkeit ist der8 in der Zeiteinheit (gewöhnlich in einer
Sekunde) zurückgelegte Weg. Die Geschwindigkeitszunahme in der
Zeiteinheit heisst Beschleunigung, die Geschwindigkeitsabnahme heisst
Verzögerung.
Unter Geschwindigkeit einer veränderlichen Bewegung in einem bestimmten
Augenblick verstehen wir denjenigen Weg, den der Körper in der nächsten
Zeiteinheit zurücklegen würde, wenn er sich von diesem Augenblick an nur
infolge9 seines Beharrungsvermögens, also gleichförmig, weiter
bewegte.
In einem sehr kleinen Zeitabschnitt, welchen wir mit dt bezeichnen
wollen, können wir die Geschwindigkeit v als unveränderlich ansehen. Der
in diesem Zeitabschnitt zurückgelegte Weg, welcher ebenfalls sehr klein
ist, sei ds. Dann ist v=ds/dt der Wert für die Geschwindigkeit einer
beliebig10 veränderlichen Bewegung in einem bestimmten Augenblick.
Eine gleichförmig beschleunigte oder verzögerte Bewegung kommt dadurch
zu stande11, dass auf einen Körper in der Richtung seiner Bewegung
oder gegen dieselbe eine unveränderliche (konstante) Kraft wirkt.
In solchen Fällen lehrt die Erfahrung:
1. Bei12 gleichen Massen verhalten sich die hervorgebrachten
Beschleunigungen wie die wirkenden Kräfte.[Pg 26]
2. Bei gleichen Kräften verhalten sich die Beschleunigungen umgekehrt
wie die Massen.
3. Bei gleichen Beschleunigungen verhalten sich die Kräfte wie die
Massen.
Das Gewicht z. B. ist eine konstante Kraft, welche auf jeden Körper auf
der Erde einwirkt.
14.
Die Gewichtseinheit1 kann gleichzeitig als Krafteinheit dienen. Man
benutzt in der Mechanik das Kilogramm als Einheit der Kraft. Eine Kraft
von 28 kg heisst2 demnach, dass dieselbe 28 mal so gross ist, wie der
Druck, welchen 1 l Wasser infolge der Schwere auf seine Unterlage
ausübt, wenn g=9,806 m/sec2 ist. (Man definiert jetzt 1 kg als
das Gewicht von 1 l Wasser unter 45° geographische Breite3 am
Meeresspiegel4, wo g=9,806 m/sec2 ist).
Die Masseneinheit werden wir am bequemsten5 so wählen, dass dieselbe
durch die Einwirkung der Kraft 1 kg eine Beschleunigung von 1 m/sec2
(=Einheit der Beschleunigung) erlangt. Die Masseneinheit wird demnach
dargestellt6 z. B. durch 9,81 l Wasser oder 1,40 l Zink etc.
Für die Berechnung der Masse eines Körpers erhalten wir die Regel: Die
Masse ist gleich dem Gewicht dividiert durch die Schwerebeschleunigung
unter 45° Breite.
So ist z. B. die Masse eines Eisenbahnzuges von 100 t7 Gewicht =
100,000/98,06 = 10198 kg.sec2/m. Soll8 also derselbe durch die
Lokomotive eine Beschleunigung von 0,2 m/sec2 erhalten, so muss deren
Zugkraft=0,2.10198=2040 kg sein.9
Wir sagen, es wird mechanische Arbeit verbraucht, wenn ein Körper sich
in Bewegung befindet, während Kräfte vorhanden sind, welche dieser
Bewegung Wider[Pg 27]stand leisten. Die Arbeit besteht also10 kurz gesagt in
einer Ueberwindung von Widerstandskräften und wird von denselben
verbraucht. Diese verbrauchte Arbeit muss von anderen (den treibenden
Kräften) geleistet werden.
Wenn der Widerstand verdoppelt oder verdreifacht wird, so nimmt11 die
erforderliche Arbeitsleistung in demselben Verhältniss zu, d. h. die
Arbeit ist dem überwundenen Widerstand proportional. Ebenso ist die
Arbeit proportional dem Wege, längs dessen der Widerstand überwunden
wird. Bezeichnen wir somit den Widerstand oder die Kraft mit K, den Weg
mit S und die Arbeit mit A, so ist A=KS.
Vorausgesetzt ist dabei, dass der Widerstand stets in der Richtung der
Bewegung wirkt. Wirkt12 eine Kraft rechtwinklig gegen eine Bewegung,
so sucht sie dieselbe weder zu hindern noch hervorzubringen; alsdann
wird weder Arbeit verbraucht noch geleistet.
Bildet die Kraft mit dem Weg einen Winkel a, so kann man entweder den
Weg in eine mit ihr zusammenfallende Komponente, oder auch die Kraft in
eine zum Wege rechtwinklige und in eine in seine Richtung fallende
Komponente zerlegen. Nur die letztere leistet oder verbraucht Arbeit,
deren Grösse ist A=KS cos a.
Als Arbeitseinheit dient das Meterkilogramm=1 mkg, d. h. diejenige
Arbeit, welche geleistet werden muss, um einen Widerstand von 1 kg längs
eines Weges von 1 m zu überwinden. Die Arbeitseinheit wird z. B.
geleistet, wenn man ein Gewicht von 1 kg um13 1 m senkrecht in die
Höhe hebt.
Die Gesammtarbeit14 mehrerer gleichzeitig wirkender Kräfte ist gleich
der Summe der Einzelarbeiten15.[Pg 28]
15.
Besitzt1 ein Körper die Geschwindigkeit v, so besitzt er damit einen
Arbeitsinhalt (lebendige Kraft, Bewegungsenergie) von der Grösse
A=Mv2/2. Derselbe wird bei Steigerung der Geschwindigkeit des Körpers
von 0 auf v vom Körper aufgespeichert2, bei Verminderung3 der
Geschwindigkeit von v auf 0 wieder abgegeben.
Um z. B. eine Flintenkugel von 30 g Gewicht um4 4587 m senkrecht in
die Höhe zu heben, bedarf es einer Arbeit von 0,03.4587=138 mkg. Um
diese Höhe zu erreichen, musste5 die Kugel eine Geschwindigkeit von
300 m/sec besitzen. Ihre Masse ist 0,03/9,806 = 0,00306
kg.sec2/m. Demnach ist Mv2/2 = 0,00306.300.300/2 = 138 mkg.
Dieser Arbeitsinhalt wird beim Aufsteigen der Kugel zur Ueberwindung der
Schwere gänzlich verbraucht. Fällt die Kugel wieder um 4587 m herab, so
nimmt sie schliesslich wieder die Geschwindigkeit von 300 m/sec an,
d. h. sie steigert ihren Arbeitsinhalt wieder auf 138 mkg. Die hierzu
nötige Arbeit wird von der Schwere geleistet6. Streng genommen7 sind
diese Betrachtungen nur richtig, wenn kein Luftwiderstand vorhanden ist.
Wenn wir ein Gewicht heben, eine Feder spannen8, Luft zusammen
pressen, so leisten wir eine Arbeit, welche immer gemessen wird durch
das Produkt aus widerstehender Kraft mal Weg.
Man nennt diese gewissermassen latent gewordene Arbeit Spannkraft9
oder besser Energie der Lage.
Ausser der Grösse der geleisteten Arbeit ist bei Beurteilung10 des
Wertes einer Arbeitsleistung wesentlich die Zeit massgebend11, in
welcher sie geleistet wurde. Eine Dampfmaschine z. B., welche dieselbe
Arbeit in dem dritten[Pg 29] Teile der Zeit leistet, wie eine andere, ist
hinsichtlich12 ihrer Leistung dreimal so viel wert als letztere.
Der Wert einer Arbeitsleistung wird durch die in der Zeiteinheit (1 sec)
geleistete Arbeit gemessen; diese nennt man Leistung oder Effect. Die
Einheit der Leistung entspricht einer Arbeit von Meterkilogramm in 1
Sekunde = 1 Mkg/sec (gelesen 1 Meterkilogramm in 1 Sekunde).
Als grössere Leistungseinheit dient in der Technik die Pferdestärke (1
PS)=75 Mkg/sec Eine Pferdestärke vermag also in der Sekunde 75 kg 1 m
hoch zu heben oder auch 25 kg 3 m oder 1 kg 75 m u. s. f.13
16.
Einfache und zusammengesetzte Maschinen. Die schiefe Ebene mit ihren
Nebenformen1, dem Keil und der Schraube, und der Hebel mit seinen
Nebenformen, der Rolle und dem Rad an der Welle, sind die sogenannten
einfachen Maschinen oder mechanische Potenzen. Alle noch so
komplizierten2 Maschinen lassen sich aus diesen Elementen
zusammensetzen.
Infolge seines Gewichtes P sucht ein Körper auf einer schiefen, d. h.
gegen den Horizont geneigten starren Ebene herabzugleiten oder zu
-rollen3. Hieran soll er durch eine Kraft Z verhindert werden, welche
zunächst parallel der schiefen Ebene wirken mag. Gleichgewicht wird
sein, wenn die Resultierende von Z und P gerade senkrecht auf der
schiefen Ebene steht. Dieselbe stellt4 alsdann einen5 auf die
schiefe Ebene ausgeübten Druck D dar, welcher durch die Festigkeit der
Ebene aufgehoben6 wird.
Es sei l die Länge, b die Basis und h die Höhe der schiefen Ebene. Aus
der Aehnlichkeit der Dreiecke folgt für den Fall7 des Gleichgewichts[Pg 30]
- Z:P=h:l oder Z=P.h/l=P sin a
- D:P=b:l oder D=P.b/l=P cos a.
Wird der Zug Z parallel der Basis ausgeübt, so ist im Falle des
Gleichgewichts Z=P tang a und D=P/cos a.
In dieser letzteren Form findet die schiefe Ebene Anwendung als Keil und
Schraube.
Den Keil hat man aufzufassen8 als zwei mit der Basis aufeinander
gelegte schiefe Ebenen. Die Kraft wirkt auf den Rücken parallel zur
gemeinschaftlichen Basis; der Gegendruck erfolgt parallel zum Rücken.
Im Falle des Gleichgewichts verhält sich die Kraft zu diesem Gegendruck
wie der Rücken des Keils zur gemeinsamen Basis (Höhe des Keils).
Die Schraube kann man sich dadurch entstanden9 denken, dass ein
vierkantig- oder dreikantigprismatischer Streifen so um einen Zylinder
herumgewickelt worden ist, dass er mit der Zylinderachse immer den
gleichen Winkel bildet; man erhält so eine flachgängige10 bez.11
scharfgängige12 Schraube. Ein voller Umlauf des Streifens bildet einen
Schraubengang13; die Gesamtheit der Schraubengänge bilden das
Gewinde14 der Schraube. Der äussere Durchmesser heisst die
Bolzenstärke15, der Durchmesser des zylindrischen Kerns die
Kernstärke16.
Arbeitet17 man in der Wand eines Hohlzylinders, dessen Durchmesser
gleich der Kernstärke ist, vierkantig- bez.11 dreikantigprismatische
Schraubengänge aus, so dass der entstehende Hohlraum und die Schraube
selbst einander kongruent sind, so erhält man die zur Schraube passende
Schraubenmutter.
Stellt man die Achse der Schraube senkrecht, so bildet die obere (oder
untere) Grenzfläche eines jeden Schraubenganges eine Fläche, die überall
gegen den Horizont unter[Pg 31] gleichem Winkel geneigt ist, für die somit die
Gesetze der schiefen Ebene Anwendung finden können. Der Betrag, um
den18 das Gewinde bei einem jeden Umgang steigt, heisst Steigung oder
Ganghöhe19; dieselbe entspricht der Höhe der schiefen Ebene,
während der Umfang des Bolzens der Basis entspricht.
Bei der Schraube wirkt in der Regel die Kraft parallel zum Umfange des
Bolzens, der Gegendruck erfolgt in der Richtung der Achse desselben;
lässt man die Kraft am Umfange des Bolzens selbst wirken, so verhält
sich im Falle des Gleichgewichts die Kraft zum Gegendruck wie der Umfang
zur Steigung. Je kleiner also20 die Steigung und je grösser der Umfang
ist, einen um so stärkeren Druck kann man mit einer gegebenen Kraft in
der Richtung der Achse der Schraube hervorbringen. Hierauf beruht die
Verwendung der Schraube zur Befestigung und zur Erzeugung von starken
Drucken (Schraubenpresse). Ferner verwendet man die Schraube vielfach,
um sehr kleine Bewegungen hervorzubringen (Mikrometerschrauben,
Stellschrauben21).
17.
Der Hebel. Unter Hebel versteht man einen starren Körper, welcher um
eine feste Achse drehbar ist, und auf welchen Kräfte einwirken, welche
ihn um diese Achse nach verschiedenen Richtungen zu drehen suchen.
Gleichgewicht findet statt, wenn die algebraische Summe der
Drehungsmomente gleich null ist.
Gewöhnlich besitzt der Hebel die Form einer geradlinigen Stange. Die
Entfernung des Angriffspunktes der Kraft von der Achse heisst Hebelarm.
Beim Winkelhebel liegen die Hebelarme nicht in gerader Linie.
Wenn beim geraden Hebel die Kräfte parallel sind, ver[Pg 32]halten1 sie
sich, im Falle des Gleichgewichts, umgekehrt wie die Hebelarme.
Bekannt2 ist die Anwendung des geraden Hebels zum Heben der Lasten. Je
kürzer hierbei3 der Hebelarm der Last und je länger derjenige der
Kraft ist, um so grösser kann erstere, um so kleiner letztere sein. Ein
Gewinn an Arbeit findet4 beim Hebel nicht statt, weil der Weg der
Kraft gerade so vielmal so gross ist, als derjenige der Last, wie der
Hebelarm der ersteren als derjenige der letzteren.
Der Winkelhebel dient hauptsächlich dazu, Richtungsänderungen bei der
Uebertragung von Bewegungen hervorzubringen, z. B.5 bei Klingelzügen.
Die feste Rolle bildet einen zweiseitigen, gleicharmigen Hebel, wobei6
die Kraft P und die Last L an den Enden eines über die Rolle gelegten
Seiles wirken. Gleichgewicht herrscht, wenn P=L ist. Sie dient
hauptsächlich dazu, um einer gegebenen Kraft eine andere Richtung zu
geben. Die lose Rolle hängt frei im Seile, welches einerseits befestigt
ist, während an der andern Seite die Kraft wirkt; die Last ist an der
Achse der Rolle aufgehängt. Zur Hebung grösserer Lasten bedient man sich
in der Regel7 einer Verbindung mehrerer fester und loser Rollen,
welche man Flaschenzug8 nennt.
Das Rad an der Welle9 in seiner einfachsten Form finden wir bei der
gewöhnlichen Winde; die Last hängt an einem10 um die Welle
geschlungenen Seile, die Kraft wirkt am Umfange des Rades. Gleichgewicht
besteht, wenn sich die Kraft zur Last verhält wie der Halbmesser der
Welle zu demjenigen des Rades.
Eine besondere Form des Wellrades ist die Kurbel. Ferner gehören hierher
das Zahnrad in seinen mannigfaltigen Formen, endlich die Riemen- und
Seilscheiben.11[Pg 33]
18.
Fortpflanzung1 eines Drucks innerhalb einer Flüssigkeit. Wenn man
auf einen Teil der Oberfläche einer2 vollständig von den Wänden eines
Gefässes umschlossenen Flüssigkeit einen Druck ausübt, so suchen die
Teilchen diesem Drucke nach allen Richtungen hin auszuweichen;
infolgedessen3 pflanzt4 sich der Druck nach allen Richtungen hin mit
gleicher Stärke fort.
Ein5 in eine Flüssigkeit eingetauchter starrer Körper erleidet durch
dieselbe einen Druck nach oben, einen Auftrieb, welcher gleich ist dem
Gewicht der verdrängten Flüssigkeit. Dieser Satz ist das sogen.6
Archimedische Prinzip.
Um das relative Gewicht eines starren Körpers zu bestimmen, hängt man
denselben an einem feinen Draht auf, bestimmt sein Gewicht P1, taucht
ihn alsdann in ein Gefäss mit Wasser und ermittelt abermals das Gewicht
P2. Alsdann ist D=P1:(P1-P2). Der Gewichtsverlust des
eingetauchten Drahtstücks ist meist so klein, dass es nicht
berücksichtigt zu werden braucht.
Ist7 ein Körper spezifisch leichter als eine Flüssigkeit, und
taucht7 man denselben ganz unter die letztere, so ist der Auftrieb
grösser als das Gewicht des Körpers, und der letztere hat infolgedessen
das Bestreben in der Flüssigkeit emporzusteigen; er steigt jedoch nur so
weit, bis zwischen dem Auftrieb, welcher der noch eintauchende Teil des
Körpers erfährt und seinem Gewicht gerade Gleichgewicht besteht. Alsdann
schwimmt der Körper, und dabei8 gilt9 das Gesetz: Ein schwimmender
Körper taucht gerade so weit ein, dass das Gewicht der verdrängten
Flüssigkeit gleich dem Gewicht des Körpers wird. So schwimmt Kork auf
Wasser, Eisen auf Quecksilber. Besitzt der Kork z. B. das relative
Gewicht 0,2, so taucht beim Schwimmen nur 0,2[Pg 34] seines Volumens in das
Wasser ein. Schwimmt Eisen vom relativen Gewicht 7,8 auf Quecksilber vom
relativen Gewicht 13,6, so ist das eingetauchte Volumen 7,8/13,6=0,574
von dem Gesammtvolumen des Eisens.
Ausfluss von Flüssigkeiten. Macht man in die Wandung eines10 mit
einer Flüssigkeit gefüllten Gefässes eine Oeffnung, so fliesst die
Flüssigkeit aus derselben in Form eines zusammenhängenden Strahls aus.
Die Geschwindigkeit, mit der die Flüssigkeitsteilchen aus der Oeffnung
herausgeschleudert werden, die sogenannte Ausflussgeschwindigkeit, ist
gleich derjenigen eines Körpers, welcher die Höhe von der Oberfläche bis
zur Ausflussöffnung frei durchfallen hat, d. h. v=√2gH,
wenn H diese Druckhöhe11 ist. Dieser Satz ist das sogenannte
Torricellische Theorem.
19.
Der Heber1 dient dazu, eine Flüssigkeit selbsttätig2 über den Rand
eines Gefässes hinweg von einem höheren auf ein tieferes Niveau3 zu
befördern. Derselbe besteht aus einer zweischenkelig4 gebogenen Röhre,
die (am einfachsten durch Ansaugen) mit der betreffenden Flüssigkeit
gefüllt wird und mit dem einen Schenkel in die Flüssigkeit eintaucht.
Dann fliesst die Flüssigkeit so lange aus der Oeffnung des äusseren
Schenkels heraus, und wird dabei5 über die Gefässwand hinweggehoben,
als das Niveau im Gefäss höher als die äussere Oeffnung liegt.
Festigkeit6 nennt man den Widerstand, den ein starrer Körper einer
Trennung seiner Teile entgegensetzt. Als Mass7 der Festigkeit dient
die zur Trennung erforderliche Kraft. Man unterscheidet
1. Die absolute Festigkeit oder Zugfestigkeit8, den Widerstand gegen
das Zerreissen. Dieselbe ist dem Quer[Pg 35]schnitt9 proportional und
ausserdem vom Stoff abhängig. Man giebt sie in der Regel in Kilogramm
für das Quadratmeter an und nennt diese Grösse10 den
Festigkeitsmodulus oder -Koeffizient.
2. Die rückwirkende11 Festigkeit oder den Widerstand gegen das
Zerdrücken.
3. Die relative12 Festigkeit oder den Widerstand gegen das Zerbrechen.
4. Die Torsionsfestigkeit oder den Widerstand gegen das Zerdrehen.
5. Die Scher- oder Schubfertigkeit oder den Widerstand gegen das
Abscheren.
6. Die Härte oder den Widerstand gegen das Eindringen eines anderen
Körpers in die Oberfläche.
Unter Elastizität versteht man die Eigenschaft der Körper, vermöge deren
sie nach Grössen- und Formänderungen,13 die innerhalb einer gewissen
Grenze bleiben, wieder in die frühere Grösse und Form zurückkehren. Die
Grenze, welche hierbei nicht überschritten werden darf, heisst die
Elastizitätsgrenze.
Man nennt Körper, die schon bei geringen Formänderungen brechen,
spröde14; solche, die starke Formänderungen ertragen, ohne dass sie
den Zusammenhang verlieren, zähe15, dehnbar16 oder geschmeidig.17
20.
Der Schall. Wir verstehen unter Schall eine Gehörempfindung,1 welche
im Gehörorgan durch eine longitudinale Wellenbewegung2 der Luft erregt
wird. Diese Wellenbewegung wird durch gewisse Schwingungsbewegungen
starrer, flüssiger oder gasförmiger Körper verursacht.
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit3 des Schalls in der[Pg 36] Luft bei 0° ist
332,4 m/sec Sie ist unabhängig vom Luftdruck, ändert sich aber mit der
Temperatur.
Sehr gut pflanzt sich auch der Schall in starren und flüssigen Körpern
fort. Hierauf beruht das sogenannte Fadentelephon4. Zwei5 über
Holzringe ausgespannte Stücke Blase sind durch einen in ihren Mitten
befestigten, frei ausgespannten Faden oder Metalldraht verbunden, der
mehr als 100 m lang sein kann. Spricht man gegen die eine Membran, so
reproduziert die andere die Worte ziemlich deutlich.
Wie jede Wellenbewegung, so wird auch der Schall, wenn er an eine Grenze
des Mittels6, in welchem er sich ausbreitet, gelangt, daselbst
teilweise in das alte Mittel zurückgeworfen. Dies geschieht z. B. an
Felswänden, Wäldern, Häusern, aber auch an verschieden warmen
Luftschichten.
Durch die Reflexion des Schalles entsteht auch das Echo. Da wir
Schalleindrücke nur dann deutlich getrennt wahrnehmen, wenn zwischen
ihnen mindestens 0,1 Sekunde liegt, so muss der reflektierende
Gegenstand für ein einsilbiges Echo mindestens 17 m entfernt sein. Bei
geringerer Entfernung beobachtet man nur einen Nachhall.7
Beim Sprachrohr und Hörrohr benutzt man die Zurückwerfung des Schalles
an starren Wänden, um die Schallstrahlen vorwiegend8 nach einer
Richtung hin zu lenken. Das erstere besteht aus einem etwa 2 m langen,
schwach konischen Rohr, am besten aus mehrfach übereinandergeleimtem
Papier hergestellt und gut lackiert. Blecherne Rohre klirren. Der Schall
der am engeren Ende hineingesprochenen Worte pflanzt sich infolge der
Reflexion vorwiegend in der Richtung der Achse fort. Umgekehrt wirkt das
Hörrohr. In nicht zu engen Rohrleitungen pflanzt sich der Schall auf
weite Strecken ziemlich ungeschwächt fort.[Pg 37] Hiervon macht man praktische
Anwendung, um zwischen entfernten Räumen eines Hauses Sprechverbindung
herzustellen.
Man unterscheidet Geräusche und Klänge. Das Geräusch entsteht durch
unregelmässige, der Klang durch regelmässige oder periodische
Schwingungsbewegungen. Sind9 insbesondere diese
Schwingungen einfache Sinusschwingungen,10 so nennen
wir den Klang einen Ton oder auch einen einfachen Ton. An einem Ton
unterscheidet man vor Allem zwei Eigenschaften, eine bestimmte Höhe und
eine bestimmte Stärke. Die Höhe des Tons hängt11 von der
Schwingungszahl oder von der Wellenlänge ab: je grösser die
Schwingungszahl ist, desto höher ist der Ton.
Kein musikalisches Instrument giebt einfache Töne, wie sie einfachen,
stehenden12 Sinusschwingungen entsprechen würden, sondern bei13
allen, nur bei den einen mehr, bei den ändern weniger, erklingen immer
mit dem Grundton14 gleichzeitig Obertöne. Je nach der Höhe, Zahl und
Stärke der letzteren gewinnt dadurch der Grundton ein anderes
Gepräge15; man bezeichnet dies mit dem Namen Klangfarbe.16
21.
Das Licht. Körper, welche an sich die Fähigkeit besitzen, Licht
auszusenden, heissen selbstleuchtend1, im Gegensatz hierzu müssen
dunkle Körper von ändern beleuchtet werden, wenn sie sichtbar sein
sollen. Alle Erscheinungen des Lichts lassen sich nur dann
ungezwungen2 erklären, wenn wir annehmen, dass das Licht aus einer
transversalen Wellenbewegung eines Mittels3 besteht, welches man
Lichtäther4 oder Aether nennt. In diesem beträgt die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit sehr nahe 300000000 m/sec.[Pg 38] Die geraden
Linien, längs deren das Licht sich fortpflanzt, nennt man Lichtstrahlen.
Die geradlinige Fortpflanzung der Lichtstrahlen erkennt man daran5,
dass ein leuchtender Punkt unsichtbar wird, wenn zwischen ihn und das
Auge in die gerade Verbindungslinie beider ein undurchsichtiger Körper
tritt. Besitzen6 der leuchtende und der undurchsichtige Körper eine
gewisse Ausdehnung, so erhält ein Teil des Raumes hinter dem letzteren
gar kein Licht (Kernschatten7), während ein anderer Teil des Raumes
nur von einem Teil des leuchtenden Körpers Licht empfängt
(Halbschatten8). Bei den Mondfinsternissen tritt der Mond in den
Kernschatten der Erde; bei den totalen Sonnenfinsternissen streicht der
Kernschatten des Mondes über die Erde.
Wir sind nicht im Stande Lichtstärken unmittelbar9 zu messen; wir
haben nicht einmal die Fähigkeit, durch unser Auge die Beleuchtung einer
Fläche in Zahlen abzuschätzen. Wir sind daher bei der Messung der Stärke
einer Lichtquelle auf die Vergleichung derselben mit derjenigen eines
Normallichtes angewiesen10. Zu diesem Zwecke lässt man von zwei
unmittelbar nebeneinander liegenden Flächen die eine von der
Normalkerze, die andere von der zu messenden Lichtquelle unter gleichen
Einfallswinkeln11 beleuchten und reguliert die Entfernungen so, dass
die Beleuchtungen dieselben werden. Alsdann verhalten sich die beiden
Lichtstärken wie die Quadrate der Entfernungen der Lichtquellen von den
beleuchteten Flächen. Dieses Verfahren heisst Photometrie und die dazu
verwendeten Apparate nennt man Photometer.
In dem Photometer von Bunsen ist die von den beiden Lichtquellen
gleichzeitig beleuchtete Fläche ein Schirm12 von weissem Papier, der
in der Mitte einen Stearinfleck hat.[Pg 39] Beleuchtet die eine Lichtquelle
den Schirm von der einen Seite, so erscheint der Fleck von dieser Seite
aus dunkel gegen das Papier, weil er mehr Licht durchlässt und weniger
zurückwirft als die reine Papierfläche. Bringt man nun auf die andere
Seite des Schirmes die andere Lichtquelle in eine solche Entfernung,
dass der Fleck beiderseits hell erscheint, so sind beide Seiten des
Schirmes gleich stark beleuchtet.
22.
Alle Strahlen, welche von einem leuchtenden Punkt vor einem ebenen
Spiegel1 ausgehen, werden so zurückgeworfen, dass sie für das Auge
eines Beobachters von einem Punkte hinter dem Spiegel herzukommen
scheinen; diesen Punkt nennt man das Spiegelbild2 des leuchtenden
Punktes. Dieses Spiegelbild liegt auf der3 vom leuchtenden Punkt auf
die Spiegelebene gefällten Senkrechten, und zwar ebensoweit hinter
dieser Ebene wie der leuchtende Punkt davor.
Befindet sich ein leuchtender Gegenstand zwischen zwei einen spitzen
Winkel einschliessenden Spiegeln, so dient das Bild von einem der
Spiegel als Gegenstand für den ändern und umgekehrt. Wir erhalten so
eine Anzahl von Bildern, welche mit dem Gegenstand auf einem4 um den
Durchschnitt5 der beiden Spiegel beschriebenen Kreis liegen. Ist z. B.
der Spiegelwinkel 60°, so gruppieren sich Gegenstand und Bilder in Form
eines Sechsecks. Benutzt man als Gegenstände, die man zwischen die
Spiegel bringt, bunte Glasstückchen, Perlen6 etc., so erhält man
beim7 Hineinblicken mosaikartige Bilder in Form von sechseckigen
Sternen (Kaleidoskop).
Ein8 von zwei9 unter einem Winkel a gegen einander geneigten
Ebenen begrenztes, durchsichtiges Mittel nennt man in der Optik ein
Prisma; die beiden Ebenen, durch die der Lichtstrahl ein- und austritt,
heissen die brechenden10 Flächen, ihre Durchschnittslinie heisst die
brechende Kante, der Winkel a zwischen den beiden Ebenen heisst der
brechende Winkel des Prismas. Man giebt gewöhnlich einem solchen Körper
die Gestalt eines geraden dreiseitigen geometrischen Prismas.
Lässt man weisses Licht, z. B. Sonnenlicht, durch einen11 parallel zur
brechenden Kante gestellten, engen Spalt hindurch auf ein Prisma fallen,
so erhält man nicht ein einfaches weisses, sondern ein bandförmig
auseinandergezogenes12 und an verschiedenen Stellen verschieden
gefärbtes Bild des Spaltes, weil sich im Prisma die Strahlen von
grösserer Wellenlänge rascher fortpflanzen als die von kleinerer. Ein
solches farbiges Spaltbild nennt man Spektrum. Das weisse Licht besteht
aus einem Gemisch von unendlich vielen Strahlen verschiedener Farbe. Das
rote Licht ist am wenigsten, das violette am stärksten brechbar.13
Glühende Gase und Dämpfe von geringer Dichte besitzen die merkwürdige
Eigenschaft, nur einzelne14 ganz bestimmte Lichtarten auszusenden,
während alle anderen Farben fehlen. Im Spektroskop erhält man dann, den
einzelnen vorhandenen Farben entsprechend, einzelne farbige Spaltbilder
in Gestalt von leuchtenden Linien auf dunkelem Grunde. Man erhält
derartige15 Dämpfe, indem man16 leichtflüchtige Metallsalze in die
nichtleuchtende Flamme des Bunsenschen Gasbrenners bringt. Wo die
Temperatur der Bunsenflamme nicht ausreicht, verwendet man das
Knallgebläse17 oder das elektrische Kohlenlicht.
Kirchhoff und Bunsen wiesen nach, dass diese Linien für die
betreffenden18 Metalle charakteristisch sind, so dass[Pg 41] aus ihrer
Anwesenheit im Spektrum auf die Anwesenheit des betreffenden Metalles
geschlossen werden kann19. Hierauf gründet sich die Spektralanalyse.
23.
Die Wärme. Wärme ist, ähnlich dem Licht und Schall, eine gewisse
Empfindung, welche durch gewisse in der Oberhaut endigende Nerven
vermittelt1 wird. Wir nennen einen Körper kalt oder warm, je nachdem
seine Temperatur niedriger oder höher ist als die unserer Haut.
Früher schrieb2 man die Wärmeerscheinungen einem gewichtlosen Stoffe
zu. Jetzt ist man zu der Ansicht gelangt, dass die von den Körpern
ausgestrahlte Wärme, wie das Licht, in transversalen Aetherschwingungen
besteht und dass die Ursache der Wärme eine mehr oder weniger lebhafte
Bewegung der Moleküle der Körper ist.
Jede Temperaturänderung hat eine Aenderung des Volumens zur Folge und
zwar3 nimmt4 dasselbe mit wachsender Temperatur zu, mit abnehmender
ab. Man überzeugt sich von dieser Thatsache, indem man5 eine
Metallkugel, welche kalt gerade durch einen Ring hindurchfällt, erhitzt;
die Kugel bleibt alsdann auf dem Ringe liegen.
Gewöhnlich benutzt man zur Temperaturmessung die Ausdehnung des
Quecksilbers.
Das Quecksilberthermometer besteht aus einem kugelförmigen oder
zylindrischen Glasgefäss, an welches eine enge Röhre angeschmolzen ist.
Das Glasgefäss und ein Teil der Röhre ist mit Quecksilber gefüllt. Um
die Lagenänderung6 des Endes der Quecksilbersäule in der Röhre
bestimmen zu können, ist hinter oder auf der letzteren eine Skala
angebracht. Diese Lagenänderung ist bei derselben Temperaturänderung um
so grösser, je grösser das Volumen[Pg 42] des Quecksilbers und je enger das
angesetzte Rohr ist. Um die Angaben der Thermometer vergleichbar zu
machen, bestimmt man auf der Skala zunächst zwei Punkte, an denen das
Ende der Quecksilbersäule sich bei7 zwei bestimmten Temperaturen
befindet. Diese Punkte sind der Gefrierpunkt, entsprechend der
Temperatur des gefrierenden Wassers oder des schmelzenden Eises, und der
Siedepunkt, entsprechend der Temperatur des bei7 760 mm Barometerstand
siedenden, reinen Wassers. Diese Punkte heissen Fundamentalpunkte und
ihr Abstand8 heisst Normalabstand.
Man erhält die Skala, indem man5 diesen Normalabstand in eine
bestimmte Anzahl gleicher Teile teilt, welche man Grade nennt.
24.
Die in der Wissenschaft allein gebrauchte Skala ist die hundertteilige
oder Zentesimalskala. Bei7 dieser ist der Gefrierpunkt mit 0°, der
Siedepunkt mit 100° bezeichnet.
Ein homogener starrer Körper dehnt sich nach allen Richtungen hin
gleichmässig aus, d. h. alle Dimensionen vergrössern sich um1
denselben Bruchteil ihrer ursprünglichen Länge. Man nennt den Bruchteil
der ursprünglichen Grösse des Körpers, um1 welche dieselbe bei einer
Temperaturänderung um1 1° C sich ändert, den Ausdehnungskoeffizienten
(für Eisen z. B. 0,0000123).
Bei genauen Längenmessungen ist zu beachten, dass die Länge des
Massstabes von der Temperatur abhängt. Ist z. B. ein eiserner Massstab
bei 15° C gerade 5 m lang, so ist seine Länge bei 25° C=5 (1 +
0,0000123[25-15]) = 5,000615 m. Bei -5° C dagegen ist sie 5(1+0,0000123
[-5-15]) = 4,99877 m d. h. bezw.2 0,6 mm zu lang und 1,2 mm zu kurz.[Pg 43]
Die Kraft, mit der die Ausdehnung und Zusammenziehung der Metalle
erfolgt, ist ebensogross wie die, welche erforderlich wäre, um dieselbe
Aenderung durch mechanischen Zug oder Druck hervorzubringen. Man muss
deshalb eiserne Träger3, Brücken, Dampfkessel etc. so mit dem
Mauerwerk4 verbinden, dass sie sich ungehindert ausdehnen und
zusammenziehen können. Eiserne Radreifen5 werden heiss aufgezogen,
damit sie nach dem Erkalten das Rad fest zusammenpressen. Dasselbe
gilt6 von den sogenannten Schrumpfringen7 der grossen Geschützrohre.
Die Temperatur, bei8 der ein starrer Körper flüssig wird, heisst sein
Schmelzpunkt; die Temperatur, bei der ein flüssiger Körper starr wird,
heisst sein Erstarrungs- oder Gefrierpunkt. Beide Temperaturen sind für
dieselbe Substanz gleich. Das Schmelzen und Erstarren ist meist von
einer plötzlichen sprungweisen Aenderung des Volumens begleitet. So
dehnt sich das Wasser beim Gefrieren um1 beinahe 1/11 seines Volumens
aus; infolgedessen ist das Eis spezifisch leichter als das Wasser. Die
Ausdehnung geschieht mit grosser Gewalt, so dass selbst starke
gusseiserne Bomben durch darin gefrierendes Wasser zersprengt werden.
Die Verwandlung des flüssigen in den gasförmigen Zustand nennt man
Verdampfen; der Uebergang des Dampfes in Flüssigkeit heisst Verdichtung.
Eine Flüssigkeit entwickelt bei8 jeder Temperatur Dampf. Infolge
seines Bestrebens sich auszubreiten, übt9 der Dampf, wie jedes Gas,
einen gewissen Druck aus, welchen man Dampfdruck oder Dampfspannung10
nennt. Die Dampfspannung wächst mit der Temperatur der Flüssigkeit.
Eine Flüssigkeit siedet, sobald die Spannkraft10 ihres Dampfes gleich
dem Luftdruck geworden ist. Die Temperatur, bei8 welcher das Sieden
bei8 einem Druck von 760[Pg 44] mm Quecksilber eintritt, nennt man den
Siedepunkt. Beim8 Sieden entweicht der Dampf nicht nur von der
Oberfläche, sondern es11 bilden sich auch im Inneren der Flüssigkeit
Dampfblasen. Indem dieselben aufsteigen, verursachen sie das Aufwallen
der Flüssigkeit. Man nennt auch die Dampfbildung beim8 Sieden
Verdampfen12 im engeren Sinne, während man die Dampfbildung, wobei der
Dampfdruck kleiner als der Luftdruck ist, als Verdunstung13
bezeichnet.
25.
Der Siedepunkt wird erniedrigt, wenn der Druck vermindert, und erhöht,
wenn der Druck vermehrt wird. Vermindert man z. B. den Druck auf 92 mm,
so siedet das Wasser bereits bei1 50° C. Man benutzt diese
Verminderung der Siedetemperatur, wie z. B. bei1 den Vakuumpfannen2
in den Zuckersiedereien3, um Wasser aus Stoffen zu entfernen, die sich
bei höherer Temperatur zersetzen würden.
Umgekehrt4 kann man die Temperatur des siedenden Wassers steigern,
wenn man dasselbe in einem geschlossenen Gefäss erhitzt. Dann kann der
sich entwickelnde Dampf nicht entweichen, wodurch der Druck und damit
die Temperatur steigt. Hierauf beruht der Papinsche5 Topf oder
Digestor, ein starker eiserner Topf mit angeschraubtem Deckel, woran ein
Sicherheitsventil6 angebracht ist, welches sich bei einem bestimmten
Druck öffnet. Man kann in einem solchen Topf Substanzen in Lösung
bringen, die sich in Wasser, das bei gewöhnlichem Druck siedet, nicht
auflösen.
Gesättigt nennt man einen Dampf, wenn derselbe die7 grösste bei1
einer bestimmten Temperatur mögliche Spannkraft und das grösste relative
Gewicht besitzt. Andernfalls nennt man den Dampf ungesättigt oder
überhitzt. Man kann[Pg 45] überhitzten Dampf erhalten, entweder indem man8
eine gewisse Menge von gesättigtem Dampf absperrt9, und, ohne die
Temperatur zu ändern, sein Volumen vergrössert, oder indem man die
Temperatur des abgesperrten Dampfes steigert, oder indem man beides
gleichzeitig ausführt.
Sobald der überhitzte Dampf eine bestimmte Temperatur überschritten hat,
lässt er sich durch keinen noch10 so grossen Druck mehr in eine
tropfbare11 Flüssigkeit verwandeln. Er verhält sich dann völlig wie
die sogen.12 permanenten Gase. Beim1 Wasser ist diese kritische
Temperatur 364° Celsius.
Ein starrer Körper verwandelt sich beim1 Erwärmen nicht mehr in eine
Flüssigkeit, wenn der Druck, unter dem er steht, kleiner ist als die
Spannkraft des Dampfes bei1 der Erstarrungstemperatur des flüssigen
Körpers. Man nennt diesen Grenzwert13 den kritischen Druck. Unterhalb
des kritischen Drucks kann ein Körper nur im gasförmigen und starren
Zustand existieren. So verdampft Eis unter einem geringeren Drucke als
4,6 mm, ohne sich erst in Wasser zu verwandeln.
26.
Die Fortpflanzung der Wärme. Wenn zwei Körper verschiedene
Temperaturen haben, so giebt der wärmere Körper an den kälteren Wärme
ab. Hierbei können die Körper entweder durch einen beliebig1 grossen
Zwischenraum getrennt sein: in diesem Falle geschieht die Uebertragung
der Wärme durch Strahlung2; oder dieselben sind in unmittelbarer
Berührung oder endlich durch einen dritten Körper miteinander verbunden:
alsdann pflanzt sich die Wärme direkt von Molekül zu Molekül durch
Leitung3 fort. Eine dritte Art der Wärmeverbreitung, die nur in
flüssigen und[Pg 46] gasförmigen Körpern stattfinden kann, ist die
Zirkulation. Erwärmt man z. B. eine Stelle eines Gefässes, das mit
Wasser gefüllt ist, so steigt das erwärmte Wasser in dem umgebenden
kälteren auf, während das letztere nach der erwärmten Stelle hinfliesst.
Infolge dieser Zirkulation gleicht4 sich die Temperatur der
Wassermasse rasch aus. Hierauf beruht die Warmwasserheizung mit
geschlossenem Röhrensystem.
Die Fortpflanzung der Wärme durch Leitung geschieht selbst in den sogen.
guten Wärmeleitern ausserordentlich langsam; noch viel langsamer
verbreitet sich die Wärme in den schlechten Wärmeleitern. Wir haben uns
den Vorgang so vorzustellen5, dass hierbei6 die Wärme durch
Strahlung von einer Molekülschicht der benachbarten übermittelt7 wird,
während bei8 der Wärmestrahlung die Vermittlung nur durch den Aether
erfolgt.
Die absolute Wärmeleitungsfähigkeit der Körper wird gemessen durch die
Anzahl von Wärmeeinheiten9 oder Grammkalorien, welche in 1 sec durch 1
cm2 des Querschnitts hindurchgehen, wenn zwei um10 1 cm abstehende
Querschnitte einen Temperaturunterschied von 1° C besitzen, oder wie man
hierfür auch sagen kann, wenn das Temperaturgefälle den Wert 1 besitzt.
Für die Heizungstechnik11 ist besonders der Hindurchtritt von Wärme
durch eine Scheidewand aus einem wärmeren in einen kühleren Raum von
Wichtigkeit, ein Vorgang, den man auch Wärmetransmission nennt.
27.
Spezifische und latente Wärme. Um verschiedene Körper um1 1° C zu
erwärmen, bedarf es der Zufuhr von verschiedenen Wärmemengen2, welche
wir die Wärmekapazität[Pg 47] der Körper nennen. Dieselbe ist immer der Masse
des Körpers proportional.
Man misst die Wärmekapazität nach Wärmeeinheiten oder Kalorien, wobei3
man unter einer Kalorie (1 cal) diejenige Wärmemenge versteht, welche
nöthig ist, um die Temperatur von 1 kg (oder 1 g) Wasser von 0° auf 1° C
oder auch allgemein um 1° C zu steigern.
Diejenige Anzahl von Kalorien, welche nötig sind, um die Temperatur von
1 kg (oder 1 g) einer Substanz um1 1° C zu erhöhen, heisst die
spezifische Wärme der Substanz. Wärmeaufnahme ohne Temperaturerhöhung
findet beim4 Schmelzen oder Auflösen und beim4 Verdampfen der Körper
statt. Man nennt diese Wärme gebunden oder latent.
Bei4 den umgekehrten Aggregatzustandsänderungen5, dem Erstarren und
der Kondensation, wird die latente Wärme wieder frei.
Die latente Wärme des Wasserdampfes beträgt beim4 Siedepunkt 536 cal.
Man braucht also6, um 1 kg Wasser von 100° in Dampf von derselben
Temperatur überzuführen, so viel Wärme, dass man damit z. B. 10 kg
Wasser um1 53,6° C erwärmen könnte. Umgekehrt7 giebt jedes Kilogramm
Wasserdampf von 100° bei4 der Verdichtung zu Wasser von 100° 536 cal
ab. Man macht hiervon Gebrauch bei4 der Dampfheizung.
Die Bestimmung der spezifischen und latenten Wärme geschieht mittels des
Kalorimeters, einer Vorrichtung mittels deren man diejenige Wärmemenge
misst, welche ein Körper von bestimmter Masse bei4 einer Abkühlung
um1 eine bestimmte Anzahl von Graden hergiebt oder bei4 einer
Erwärmung um1 eine bestimmte Anzahl von Graden aufnimmt. Dies kann auf
drei verschiedene Arten ausgeführt werden, 1. Man bringt den auf eine
bestimmte Temperatur[Pg 48] erhitzten Körper in eine abgewogene Menge Wasser
von niederer Temperatur und ermittelt8 die Temperatur, welche beide
zusammen schliesslich annehmen. 2. Man ermittelt die Menge von Eis,
welche der auf eine bestimmte Temperatur erwärmte Körper zu schmelzen
vermag.9 3. Man bestimmt diejenige Menge von Wasser, welche der Körper
in einem Strom von gesättigtem Wasserdampf niederschlägt,10 während er
sich auf die Temperatur des Dampfes erwärmt.
28.
Wärme aus mechanischer Arbeit. Wärme entsteht1 bei der Reibung und
beim unelastischen Stoss der Körper; bei diesen Vorgängen wird
mechanische Arbeit verbraucht. Die Versuche haben gelehrt, das zur
Erzeugung von 1 cal immer eine ganz bestimmte Arbeitsgrösse2 von im
Mittel3 425 mkg nötig ist. Umgekehrt kann sich unter Umständen Wärme
wieder in mechanische Arbeit umsetzen, wobei4 man für je 1/425 cal
eine Arbeitsleistung von 1 mkg erhält. Man nennt die Grösse 425 mkg das
mechanische Aequivalent der Wärme, während 1/425 cal. das calorische
Aequivalent der Arbeit ist.
Beispiele von der Umsetzung von Wärme in mechanische Arbeit findet man
in den Heissluftmotoren, bei welchen eine angesaugte und dann durch die
Bewegung eines Kolbens verdichtete Luftmenge5 erhitzt wird und bei der
während der Erhitzung stattfindenden Ausdehnung einen zweiten Kolben
vorwärts schiebt, welcher mittels Pleuelstange6 und Kurbel7 eine
Welle8 mit Schwungrad9 in Bewegung setzt und so die von der
erhitzten, sich ausdehnenden Luft abgegebene Arbeit an letztere abgiebt.
Die Luftmenge kann dabei10 bei11 jedem Hub neu aufgesaugt werden
(Ericson), oder die Maschine kann immer mit demselben Luftquantum[Pg 49]
arbeiten (Lehmann). Diese Maschinen müssen infolge der Schwierigkeit,
die Wärme rasch der Luft zuzuführen, mit hohen Temperaturen der
Heizflächen und darum ungünstig arbeiten. Günstiger ist daher der Motor
von Hock, bei welchem die Arbeitsluft durch den Heizraum hindurchgeführt
wird.
Diese Maschinen bilden bis zu einem gewissen Grade den Uebergang12 zu
den weit vollkommeneren Gaskraftmaschinen, bei welchen ein explosives
Gemisch von Luft und Leucht- oder Heizgas angesaugt, zusammengedrückt
und dann entzündet wird. Das durch die rasche Verbrennung auf sehr hohen
Druck gebrachte Gemenge von Stickstoff und den Verbrennungsprodukten des
Gases treibt alsdann den Kolben wieder vorwärts und giebt dabei13 an
denselben Arbeit ab, welche auf eine Welle mit Schwungrad übertragen
wird. Beim Rückgang des Kolbens werden die infolge der Ausdehnung stark
abgekühlten Verbrennungsgase in die Luft hinausgetrieben. Dann wird
wieder Gemisch angesaugt, komprimiert, entzündet etc., d. h. bei je zwei
Hin- und Hergängen des Kolbens wird nur während eines Kolbenhubs14
Arbeit geleistet (Viertaktmotor von Otto). Die Gaskraftmaschinen
setzen15 jetzt bis über 30 Prozent der gesammten bei der Verbrennung
des Gases entstehenden Wärme in mechanische Arbeit um.
29.
Aehnlich ist die Wirkung der Dampfmaschine, bei welcher der in einem
Dampfkessel erzeugte, hochgespannte und dann mehr oder weniger
überhitzte Dampf ebenfalls in einen Zylinder1 mit Kolben tritt und
diesen vorwärts schiebt. Um die im Dampf enthaltene Energie möglichst
auszunutzen, sperrt2 die sogenannte Steuervorrichtung3 den[Pg 50] Zutritt
des frischen Dampfes aus dem Kessel nach etwa 1/10 bis 1/3 des
Kolbenweges ab, und der Dampf dehnt sich dann weiter nahezu adiabatisch
unter Abkühlung und Abnahme des Druckes aus, wobei4 ihm aber durch
Heizung der Zylinderwände etwas Wärme zugeführt werden muss, wenn keine
Verdichtung eintreten soll. Der bis nahezu Atmosphärendruck ausgedehnte
Dampf tritt dann entweder in die Luft aus oder er tritt in einen
sogenannten Kondensator, worin er durch Abkühlung der Wandungen oder
durch eingespritztes Wasser verdichtet wird. Hierbei4 entsteht ein bis
etwa 65 cm Quecksilbersäule niedrigerer5 Druck, als der
Atmosphärendruck beträgt; der auf Atmosphärendruck expandierte Dampf
kann sich also noch weiter ausdehnen und dabei4 Arbeit abgeben. Wegen
der bei letzteren Maschinen notwendigen Pumpe zum Fortschaffen des
Kondenswassers aus dem Kondensator geht6 hierbei ein Teil Arbeit
wieder verloren, der bei kleinen Maschinen grösser ausfallen7 kann als
der durch die Verdichtung erzielte Gewinn.
Beträgt der Ueberdruck des Kesseldampfes nicht mehr als 6 Atm., so
genügt für die Ausdehnung ein Zylinder. Bei 8 bis 10 Atm.
Kesselüberdruck ist es aber vorteilhafter, die Expansion stufenweise auf
2 Zylinder, den Hochdruckzylinder mit kleinerem und den
Niederdruckzylinder mit grösserem Durchmesser zu verteilen, während man
für noch höheren Dampfdruck (12 bis 17 Atm.) die Expansion auf 3 und
sogar 4 Zylinder verteilt. Da selbst in dem bei niederer Temperatur
verdichteten Dampf noch sehr grosse Wärmemengen enthalten sind, hat man
in neuester Zeit versucht, die Wärmeausnutzung der Dampfmaschine noch
vollkommener zu gestalten, indem man8 den Kondensator einer
Wasserdampfmaschine als Heizapparat für einen mit Aether oder flüssiger
schwefliger Säure gefüllten zweiten[Pg 51] Dampfkessel verwendete und mittels
der schon bei niederer Temperatur hoch gespannten Dämpfe dieser
Flüssigkeiten eine zweite mit der ersten mechanisch gekuppelte
Dampfmaschine antrieb. Auf diese Weise hat man den Wirkungsgrad9 der
Dampfmaschine, der bei der Wasserdampfmaschine zusammen mit dem Kessel
bis etwa 12 Prozent erreicht, auf 17 Prozent zu steigern vermocht.
Aehnliche Vorteile hat man durch sehr starke Ueberhitzung des Dampfes
erreicht.
Bei den modernen Dampfturbinen, welche jetzt so weit vervollkommnet
sind, dass ihr Wirkungsgrad denjenigen der Zweifachexpansionsmaschinen
erreicht, lässt man den Dampf, ähnlich dem Wasser bei den
Wasserturbinen, ausströmen und die mit grosser Geschwindigkeit
austretenden Dampfstrahlen10 auf ein Schaufelrad11 drücken.
Wegen der grossen Ausflussgeschwindigkeit des Dampfes muss auch, um
einen günstigen Wirkungsgrad zu erzielen, die Umfangsgeschwindigkeit des
Schaufelrads sehr hoch sein.
30.
Mechanische Wärmetheorie. 1. Ein grosses Quantum von Wärmeenergie ist
immer einem ganz bestimmten Quantum mechanischer Energie äquivalent. Die
Summe der beiden Energiearten1 in einem gegen die Aussenwelt
vollkommen abgeschlossenen Raume, in welchem sich beliebige2
Umwandlungen der einen in die andere Energieform zutragen3, ist
deshalb konstant. Dieser Satz heisst auch das Prinzip von der Erhaltung
der Energie.
2. Bei Kreisprozessen4 vollziehen sich die Umwandlungen so, dass dabei
die umgewandelte Wärme immer den Wärmequellen höherer Temperatur
entnommen wird, während eine Ueberführung von Wärme aus einer
Wärmequelle niederer[Pg 52] Temperatur in eine höhere nur durch Aufwendung von
mechanischer Arbeit oder einer anderen Energieform vollzogen werden
kann, und bei jedem solchen Kreisprozess findet eine Vermehrung der
Wärmeenergie auf Kosten der anderen Energieform statt.
Am allgemeinsten5 lässt sich der zweite Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie in der Form aussprechen: Nur solche Vorgänge vermögen
mechanische Arbeit zu liefern, welche in der Natur von selbst sich
vollziehen, wie z. B. der Uebergang von Wärme von höherer auf niedere
Temperatur, das Herabsinken eines Gewichts von einem höheren auf ein
tieferes Niveau6, der Uebergang der Elektrizität von einem höheren auf
ein tieferes Potentialniveau etc. Da Wärme auftritt, wenn Arbeit, d. h.
Bewegung von Massen, verschwindet, und da umgekehrt Wärme in Arbeit
übergeführt werden kann, so fasst7 man gegenwärtig die Wärme selbst
als eine Art von Massenbewegung auf, bei der jedoch die Körper nicht als
Ganzes, sondern nur ihre Moleküle gegeneinander in Bewegung begriffen8
sind. Keine Wärme9 würde demnach ein Körper enthalten, wenn seine
Moleküle gegeneinander in Ruhe wären; dieser Zustand wäre dann
derjenige, welcher dem absoluten Nullpunkt der Temperatur entspricht.
Der Magnetismus. Ein Magnet zieht10 ein ihm nahe gebrachtes
Eisenstück an, wird gleichzeitig aber auch von diesem Eisenstück mit
gleicher Kraft angezogen.
Nähert man zwei Magnetpole einander, so beobachtet man nur dann
Anziehung, wenn der eine ein Nordpol, der andere ein Südpol ist, oder
wenn beide ungleichnamig sind. Dagegen11 stossen12 sich zwei
Nordpole oder zwei Südpole, d. h. gleichnamige Pole, gegenseitig ab.
Die Kraft, welche zwischen zwei Magnetpolen zur Wir[Pg 53]kung kommt, ist
umgekehrt proportional dem Quadrat ihres gegenseitigen Abstandes.
Die Einheit der Polstärke ist ein solcher Magnetpol, dessen Stärke so
gross ist, dass wenn er in die Entfernung von 1 cm von einem ähnlichen
Magnetpol von gleicher Stärke gestellt wird, denselben mit der absoluten
Einheit der Kraft abstösst. Diese absolute Einheit der Kraft ist die
Dyne, welche der Masse von 1 g die Geschwindigkeit von 1 cm in der
Sekunde mitteilt.
31.
In vielen Fällen ist der Magnetismus eines magnetisierten Stahlstabes
hauptsächlich nur auf dessen Oberfläche vorhanden. Man hat dies
dadurch1 nachgewiesen, dass man einen kurzen Magnetstab in Säure
legte, so dass allmählig die äusseren Schichten des Metalles aufgelöst
wurden. Es stellte sich dabei heraus,2 dass nach der so
herbeigeführten Beseitigung einer verhältnissmässig dünnen Stahlschicht
der Magnetismus des Stabes fast gänzlich verschwunden war. Ferner
verfuhr man in gleicher Hinsicht3 so, dass man ein kurzes,
verhältnissmässig dünnwandiges Stahlrohr und einen nach Länge und
Durchmesser gleichen Stahlstab gleich stark magnetisierte. Es zeigte
sich dann, dass das Stahlrohr fast dieselbe magnetische Kraft besass,
wie der volle Magnetstab. Nur bei langen und verhältnismässig dünnen
Stäben dringt der Magnetismus vollständig in das Material ein.
Zerbricht man einen Magnetstab, so bilden die Bruchstücke wiederum
vollständige Magnete, mit je zwei entgegengesetzten Polen. Denken wir
uns diese Teilung so lange fortgesetzt, bis wir den Stab in seine
Moleküle zerteilt haben, so werden wir annehmen dürfen, dass auch
letztere vollständige Magnete darstellen4 werden.[Pg 54]
Wir stellen in betreff der Konstitution eines magnetischen Körpers die
Hypothese auf, dass die Moleküle schon vor der Magnetisierung
vollständige Magnete sind, welche aber im natürlichen Zustand infolge
der gegenseitigen Anziehung sich so lagern5, dass sich ihre Wirkungen
nach aussen gegenseitig aufheben.6 Beim Magnetisieren werden dieselben
durch einen äusseren Zwang in gleiche Richtung gedreht, so dass sich nun
ihre Wirkungen nach aussen summieren.
Diese Hypothese wird durch folgenden Versuch gestützt. Man füllt ein
Glasrohr mit Stahlfeilspänen, verkorkt beide Enden
und schüttelt um; das Rohr erscheint nicht magnetisch. Nun magnetisiert
man dasselbe, wodurch es die Eigenschaften eines künstlichen Magnets
annimmt. Schüttelt man das Rohr hierauf wieder kräftig um, so erscheint
es wieder gänzlich unmagnetisch, obgleich die einzelnen Stahlspänchen
permanente Magnete geblieben sind.
Wenn es möglich wäre, einen einzelnen Magnetpol, losgelöst von jeder
materiellen Masse, herzustellen7, so würde derselbe, in die Nähe eines
Magnets gebracht, durch die auf ihn ausgeübte Kraft in Bewegung gesetzt
werden. Da er kein Beharrungsvermögen8 besässe, würde er sich in jedem
Augenblick genau in der Richtung der auf ihn wirkenden Kraft bewegen,
also Bahnen beschreiben, deren Tangente in jedem Punkte der Umgebung des
Magnets die Richtung der daselbst wirkenden magnetischen Kraft angeben
würden. Nach Faraday nennen wir die Umgebung eines Magnets, in welcher
dessen Kraftwirkungen erfolgen, das magnetische Feld, und die soeben
definierten Linien, die Kraftlinien des Felds. Bringt man eine kleine
Magnetnadel in das magnetische Feld, so werden ihre beiden Pole von
entgegengesetzten Kräften angegriffen, weshalb die Nadel[Pg 55] sich in die
Richtung der durch ihren Mittelpunkt gehenden Kraftlinie einstellen9
muss.
Diese Kraftlinien haben wir uns als geschlossene Kurven
vorzustellen,10 welche zum Teil ausserhalb, zum Teil aber innerhalb
des Magnets verlaufen. Dieselben können auch ganz innerhalb des Magnets
liegen.
32.
Die Elektrizität. Die zwischen zwei punktförmigen Elektrizitätsmengen
wirkende Kraft ist dem Produkt aus den Mengen direkt, dem Quadrat ihrer
Entfernung umgekehrt proportional und fällt der Richtung nach1 in die
gerade Verbindungslinie der beiden elektrischen Massenpunkte.
Nähert man einem unelektrischen isolierten Leiter2 einen elektrischen
Körper, so wird ersterer elektrisch, und zwar3 ist die Elektrizität an
dem Ende, welches dem genäherten Körper zugewendet ist, die
entgegengesetzte, während sich am abgewandten Ende gleichnamige
Elektrizität sammelt. Entfernt man den elektrischen Körper, so
vereinigen sich beide Elektrizitäten wieder, und der Leiter erscheint
unelektrisch, woraus zu schliessen ist,4 dass von beiden
Elektrizitäten gleichgrosse Mengen vorhanden waren.
Man nennt diese Trennung der Elektrizitäten in einem Leiter durch
Annäherung eines elektrischen Körpers Influenz, Verteilung oder
elektrostatische Induction.
Wenn man in eine leitende Flüssigkeit, z. B. eine Salzlösung, zwei
verschiedene Metalle eintaucht, von denen man das eine zur Erde
ableitet, so wird das nicht abgeleitete Metall elektrisch. Wird hierbei
das erste Metall, wenn das zweite abgeleitet ist, positiv, so wird das
zweite bei Ableitung des[Pg 56] ersten ebenso stark negativ. Das abgeleitete
Metall besitzt immer das Potential oder die Spannung 0; also5 besteht
zwischen beiden Metallen ein Spannungsunterschied. Dieser entsteht
dadurch, dass an den Berührungsstellen6 der verschiedenen Körper eine
Trennung der Elektrizitäten stattfindet. Die hier auftretenden
Spannungen sind sehr viel geringer als diejenigen bei der Reibung.
Bringt man verschiedene Metalle paarweise in eine Flüssigkeit, so werden
immer diejenigen Metalle am stärksten negativ, welche von der
Flüssigkeit am stärksten angegriffen werden.
Der Spannungsunterschied wird in einer Einheit gemessen, welche den
Namen 1 Volt (1 V) führt und welche numerisch sehr nahe gleich dem 300.
Teil7 der absoluten elektrostatischen Einheit der Spannung oder des
Potentials. In Volt gemessen ist im Wasser der Spannungsunterschied
zwischen Zink und Kupfer 0,78 V, zwischen Zink und Platin 1,05 V.
Eine solche Anordnung von zwei Metallen in einer Flüssigkeit heisst ein
galvanisches oder Voltasches Element oder eine einfache galvanische
Kette. Verbindet man die beiden Pole durch einen Leiter, so fliesst
infolge des fortdauernd bestehenden Spannungsunterschieds zwischen
seinen Enden in diesem Leiter +E vom +Pol nach dem -Pol, während sich
die -E in der umgekehrten Richtung bewegt. Da an den Berührungsstellen
fortwährend neue Elektrizitätsmengen geschieden werden, so erhält man in
dem Leiter einen ununterbrochenen elektrischen Strom. Den Leiter nennt
man den Schliessungsbogen.8
33.
Man versteht unter Stromstärke die Elektrizitätsmenge, welche in der
Zeiteinheit1 durch einen Querschnitt2 des[Pg 57] Schliessungsbogens
hindurchfliesst. Als technische Einheit der Stromstärke dient 1 Ampère
(1 A); die3 bei dieser Stromstärke durch jeden Querschnitt des
Schliessungsbogens in 1 Sekunde hindurchfliessende Elektrizitätsmenge
heisst 1 Coulomb (1Cb) und dient in der Elektrotechnik als Einheit der
Elektrizitätsmenge. Numerisch ist 1 Cb=3.109 absolute elektrostatische
Einheiten.
Da die Stromabgabe4 eines einzelnen Elementes verhältnismässig schwach
ist, so werden für viele Zwecke eine mehr oder minder grosse Zahl von
Elementen gleicher Art zu Batterien, entweder mit Bezug auf5 die
Vergrösserung der in einer gewissen Zeit abzugebenden
Elektrizitätsmenge, oder mit Bezug auf die Erhöhung der
Potentialdifferenz, oder auch mit Bezug auf beide Arten der
Wirkungserhöhung, miteinander verbunden. Die Vergrösserung der
Elektrizitätsmenge ist allerdings auch durch entsprechende Vergrösserung
der wirksamen6 Metallflächen in einem Elemente zu erreichen, jedoch
wird dann sehr bald eine Grenze gefunden, wo die Elemente durch ihre
Grösse unbequem werden. Man wählt alsdann zu gleichem Zwecke die
Schaltung7 auf Quantität oder Parallelschaltung, wobei die
gleichnamigen Pole, z. B. einerseits die Pole der Zinkplatten und
andrerseits die der Kupferplatten miteinander durch einen Leiter von
entsprechend grossem Querschnitt verbunden werden. Soll8 dagegen eine
Erhöhung der Potentialdifferenz herbeigeführt werden, welche von der
Flächengrösse der Platten unabhängig ist, indem9 sie nur durch die
physikalische Natur der Elektroden und des Elektrolyten bedingt wird, so
ist die Schaltung auf Spannung, oder Hintereinanderschaltung, oder auch
Reihenschaltung genannt, zu wählen. Hierbei werden von Element zu
Element[Pg 58] immer die entgegengesetzten Pole, z. B. die Pole der Zink- und
Kupferplatten miteinander verbunden.
Die Akkumulatoren. Der Akkumulator10 von Planté besteht aus zwei
Bleiplatten in verdünnter Schwefelsäure. Schickt man einen Strom durch
ein solches Element hindurch, so reduziert der an der negativen
Bleielektrode auftretende Wasserstoff etwa11 vorhandenes Bleioxyd zu
metallischem Blei, während sich der Sauerstoff an der positiven Platte
mit dem Blei zu Bleisuperoxyd12 verbindet. Hat man so den Akkumulator
geladen, so erhält man aus demselben, wenn man die beiden Bleiplatten
mit einem Leiter verbindet, in letzterem einen Strom, der von der
oxydierten Bleiplatte zur metallischen geht. Derselbe dauert so lange
an, bis sich sowohl13 das Bleioxyd durch den Wasserstoff, wie auch das
metallische Blei durch den Sauerstoff in Bleioxyd umgewandelt hat,
welches sich mit der vorhandenen Schwefelsäure verbindet. Dieses nennt
man die Entladung des Akkumulators. Bei einer neuen Ladung wird alsdann
das schwefelsaure Blei14 in metallisches Blei am negativen und
Bleisuperoxyd am positiven Pol, und in Schwefelsäure umgewandelt. Die
E. M. K.15 eines solchen Elements beträgt anfangs etwas über 2 V,
sinkt aber während der Entladung langsam auf etwa 1,8 V und nimmt dann
sehr rasch ab. Beim Gebrauch setzt man daher die Entladung nur so lange
fort, bis die E. M. K. ziemlich auf 1,8 V gesunken ist.
Um mehr oxydations- bezw.16 reduktionsfähiges Material zu erhalten,
bedeckte Faure die Bleiplatten mit Mennigeschichten17. Man kann auch
Gitter18 von Blei herstellen und die Zwischenräume mit
Bleiverbindungen ausstopfen.
Man berechnet die Leistungsfähigkeit eines Akkumulators nach
Ampèrestunden. Ein Akkumulator von 100 Am[Pg 59]pèrestunden Kapazität vermag
z. B. 100 Stunden lang einen Strom von 1 A oder 5 Stunden lang einen
solchen von 20 A etc. zu liefern. Da der in 1 Stunde von 1 A entwickelte
Sauerstoff 3,86 g Blei in Bleioxyd (PbO) verwandelt, so müssen
mindestens 386 g oxydierbares Blei vorhanden sein. Uebrigens ist die
Kapazität eines Akkumulators bei langsamer Entladung grösser als bei
rascher, so dass einer der 10 Stunden lang 10 A liefern kann, 20 A nur
etwa 4 Stunden lang zu liefern vermag.
34.
Die elektrischen Strommaschinen. Die zur Erzeugung von elektrischen
Strömen dienenden Maschinen, welche gewöhnlich als Dynamomaschinen oder
Dynamos bezeichnet werden, unterscheiden1 sich als Gleichstrom-2 und
Wechselstrommaschinen3 und beruhen auf der von Faraday entdeckten
Erregung4, Influenz oder Induction elektrischer Ströme in Drähten
mittels magnetischer Einwirkung. Bei den ersten Maschinen dieser Art
fand die Erregung der Ströme durch Dauermagnete5 (stählerne
Hufeisenmagnete) statt, vor deren Polen ein mit zwei Drahtspulen
versehener Anker6 in rasche Umdrehung versetzt werden konnte. In der
Clarkeschen Maschine wurden in den dicht bei den beiden Magnetpolen
vorübergehenden Ankerschenkeln7 bei jeder vollen Umdrehung zwei
Polwechsel8 herbeigeführt und dadurch in den beiden Drahtspulen
entsprechend starke entgegengesetzte, aber in gleicher Richtung durch
beide Spulen fliessende elektrische Ströme induziert, so dass also der
Anker bei einer halben Umdrehung einen Strom in der einen Richtung und
bei der nächsten halben Umdrehung einen Strom in der entgegengesetzten
Richtung in seiner Bewickelung erzeugt. Clarke verbesserte seine
Maschine[Pg 60] noch durch Anbringung9 eines Stromwenders10, um einen
Strom in gleicher Richtung im äusseren Stromkreise zu erhalten. Diese
Vorrichtung11 besteht aus einem auf die Ankerwelle aufgesteckten
Zylinder aus isolierendem Material (Holz, Ebonit u. dergl.12), auf dem
zwei metallene Sektoren einander gegenüberstehen, aber von einander
isoliert befestigt sind und dabei über den Umfang des isolierenden
Zylinders etwas emporstehen. Auf jedem dieser beiden Metallsektoren oder
Segmenten schleift eine aus Kupferdraht oder schmalen
übereinandergelegten Kupferblechstreifen13 gebildete elastische
sogenannte Bürste. Beide Bürsten sind auf einer isolierenden Grundplatte
befestigt und durch geeignete Klemmen14 mit Leitern verbunden.
Ein wesentlicher Fortschritt war die Einführung des Siemensschen
Doppel-T-Ankers. Dieser besteht aus einem weichen Eisenkern15 von
zylindrischer Form, in welchen beiderseits eine breite Nut16
eingefrässt17 ist, die zur Aufnahme des isolierten Bewickelungsdrahtes
dient, so dass die Windungen parallel zur Achse des Ankerzylinders
liegen. Die in diesen Windungen bei Umdrehung des Ankers induzierten
Ströme werden durch einen auf der Achse sitzenden Stromwender gleich
gerichtet.
Die permanenten Stahlmagnete wurden zuerst von Wilde durch
Elektromagnete ersetzt. In 1867 wurde von Siemens und fast gleichzeitig
auch von Wheatstone das sogenannte dynamoelektrische Prinzip entdeckt,
welches darauf beruht, dass eine geringe Spur von Magnetismus im Eisen
der Feldmagnete zur Selbsterregung der Magnete hinreichend ist, indem
die18 zuerst dem geringen Magnetismus entsprechenden schwachen
induzierten elektrischen Ströme des Ankers, in die Bewickelung der
Magnete geleitet, diesen Magnetismus verstärken, wodurch dann wieder die
in der Ankerbewick[Pg 61]lung erregten Ströme verstärkt werden, so dass diese
alsdann den Magnetismus wieder verstärken und so fort bis die volle
Wirkung der Maschine erreicht wird.
35.
Die Gramme Maschine. Zwischen den Polschuhen des den Feldmagneten
bildenden Elektromagneten ist der1 aus einem2 mit isoliertem
Kupferdraht bewickelten Eisenring bestehende Anker auf einer drehbaren
Welle3 angebracht. In der Kupferdrahtbewickelung dieses ringförmigen
Eisenkerns werden bei der Bewegung durch das magnetische Kraftfeld
elektrische Ströme induziert, wobei4 der Eisenkern durch Influenz
magnetisiert wird und die Verdichtung der magnetischen Kraftlinien,
sowie die daraus entstehende Verstärkung des magnetischen Feldes
stattfindet.
Ursprünglich war Gramme von dem Gedanken ausgegangen, den durch den
Einfluss des Feldmagneten magnetisierten Eisenring in der Drahtspirale
oder die Drahtspirale um den magnetisierten Eisenring rotieren zu
lassen. Der5 praktischen Ausführung dieser Idee stellten sich jedoch
unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen, so dass der Erfinder den
Eisenring einfach mit isoliertem Drahte bewickelte und in geeigneter
Weise auf der Welle befestigte und so den ganzen Anker vor den Polen des
Feldmagneten rotieren liess. In der Tat6 wurde dadurch dieselbe, von
ihm wohl7 nicht vorhergesehene Wirkung erzielt, als wenn der Eisenkern
oder die Drahtspirale für sich allein rotierten. Durch die Einwirkung
der Pole des Feldmagneten werden nämlich8 auch in dem rotierenden
Ringe zwei feststehende entgegengesetzte Pole erzeugt, indem9 durch
die magnetische Influenzierung des Eisenringes dem Nordpole des
Feldmagneten gegenüber ein Südpol und dem Südpole des Feldmagne[Pg 62]ten
gegenüber ein Nordpol im Eisenringe entsteht; allerdings10 werden
dabei fortwährend neue Eisenteilchen im rotierenden Ringe veränderlich
magnetisiert und es ist deshalb erforderlich, das Material des Ringes so
einzurichten, dass die fortwährend rasche Aenderung des Magnetismus der
Teilchen möglichst erleichtert wird.
Die Bewickelung des Feldmagneten ist einfach eine Fortsetzung der
Ankerbewickelung und die Erregung des Feldmagneten wird durch den von
der Ankerbewickelung ausgehenden Hauptstrom bewirkt. Man bezeichnet
diese Bewickelung, bei welcher Anker und Feldmagnet hintereinander
geschaltet sind, als die Reihen- oder Serienbewickelung11 im Gegensatz
zu der Nebenschlussbewickelung.12
Um die von der Maschine verlangte Leistung13 mit einer geringeren
Umdrehungszahl zu erreichen, hat man mehrpolige Maschinen hergestellt,
bei denen das Magnetfeld von vier, sechs, acht und mehr Polen gebildet
wird, wobei Nord- und Südpol abwechselnd in dem sie verbindenden
polygonalen oder kreisrunden Eisengestell14 angeordnet sind.
36.
Wechselstrommaschinen. Obschon alle elektrischen Strommaschinen nur
Wechselströme erzeugen können, weil die magnet-elektrische Induktion nur
durch wechselnde Wirkung zwischen magnetischer Kraft und elektrischen
Leitern hervorgebracht werden kann, so unterscheidet man doch neben den
durch Anbringung eines Stromwenders hergestellten Gleichstrommaschinen
noch die eigentlichen1 Wechselstrommaschinen, welche die durch
Induktion erzeugten Wechselströme direkt in den äusseren Stromkreis2
zur Benutzung abgeben3. Die Wechselstrommaschinen bedürfen4 daher
nicht des kostspieligen und sorgsam zu über[Pg 63]wachenden Kommutators, der
mit seinen Schleifbürsten leicht der Abnutzung unterliegt5 und zu
Betriebsstörungen6 Anlass geben kann, sobald die Bedienung der
Maschine nachlässig ist. Anstatt des Stromwenders sind die
Wechselstrommaschinen nur mit dauerhaften Schleifbürsten versehen, von
denen der Strom abgenommen wird. Sie können auch mit feststehendem Anker
eingerichtet werden, so dass die hochgespannten Wechselströme direkt von
den festen Klemmen7 in die Leitung übergehen.
In ihrem Aufbau sind demnach die Wechselstrommaschinen viel einfacher
als die Gleichstrommaschinen. Sie sind zur Erzeugung von Strömen bis zu
10000 Volt Spannung zu benutzen, während man bei den
Gleichstrommaschinen nur ausnahmsweise die Spannung höher als etwa 500
Volt treibt. Da durch die Wechselströme nicht das erforderliche
konstante Magnetfeld hergestellt werden kann, so muss dies durch eine
besondere, aber verhältnismässig kleine Gleichstrommaschine geschehen,
die als Erregermaschine bezeichnet wird. Zuweilen hat man auch diese
direkt mit der Wechselstrommaschine verbunden, indem8 man mittels
eines auf deren Welle aufgesetzten Kommutators einen entsprechenden Teil
des erzeugten Wechselstroms in Gleichstrom verwandelt.
Zu den Wechselstrommaschinen gehören auch die Drehstrommaschinen9,
welche drei in ihrer Schwingungsphase gegenseitig um 120° verschobene
Wechselströme erzeugen (Dreiphasenmotor).
Transformatoren. Wichtige Nebenapparate10 und Ergänzungsmittel11
der Wechselstrommaschinen sind die Transformatoren. Dieselben beruhen
auf der Wirkung der magnetelektrischen Induktion, welche durch
Wechselströme hervorgerufen wird, so dass der erzeugte Magnetismus im[Pg 64]
Eisen rasch abwechselnd umgekehrt wird. Um diese rasche Umkehrung ohne
zu grosse Verluste (Hysteresis und Wirbelströme12) herbeizuführen,
müssen die Eisenkerne der Transformatoren aus dünnen (kaum 0,5 mm
dicken) Eisenblechen mit isolierenden Zwischenlagen von paraffiniertem
Papier etc. hergestellt werden. Zur Magnetisierung des Eisenkerns dient
die Primärbewickelung desselben, und durch die abwechselnde
Magnetisierung des Eisenkerns wird die Sekundarbewickelung desselben
induziert und dadurch der transformierte Wechselstrom erzeugt. Man hat
es dabei in der Gewalt, die Spannung des Sekundarstroms zu erhöhen und
somit die Stromstärke entsprechend zu erniedrigen, oder die Spannung zu
erniedrigen und die Stromstärke entsprechend zu erhöhen.
Man unterscheidet Kerntransformatoren13 und Manteltransformatoren. Bei
ersteren ist der Eisenkern von der Drahtbewickelung beziehungsweise den
Drahtspulen umgeben; bei letzteren sind die Drahtspulen innerhalb des
rahmenartigen Eisengestells untergebracht.14
37.
Elektrische Lichtanlagen.1 Die Starkstromleitungen2 für Licht- und
Kraftbetrieb3 werden, in der Regel4, wenigstens innerhalb der
Städte, als Untergrundleitungen in der Form von Bleikabeln angelegt,
durch welche die Hauptleitungen gebildet werden, die sich nach den
Häusern in dünneren Leitungen abzweigen. Diese Kabel enthalten eine
grössere Anzahl verseilter5 starker6 Kupferdrähte, die in ihrer
Gesammtheit7 nach aussen durch Umspinnung mit Jute und Umwickelung mit
Isolierband8 gegen Stromverlust möglichst gesichert, sowie durch eine
die Isolationsmasse umgebende dichte Bleiumhüllung gegen Feuchtigkeit
geschützt[Pg 65] sind. Um die Verletzung der Bleihülle bei
Strassenumwühlungen9 zu verhüten, ist meist noch eine Armierung10
von Bandeisen oder Eisendraht vorhanden. Die Verbindung der Kabel
untereinander, sowie die Abzweigstellen der Nebenleitungen, werden durch
gusseiserne Muffen11 bewirkt. Um die Anschlussstellen12 behufs
Nachsehen, Reparaturen und Neuanschlüssen leicht zugängig zu machen,
sind Anschlusskästchen und Anschlussgruben13, die mit abnehmbaren
Deckeln geschlossen werden, vorhanden. Ueberall, wo schwächere Leitungen
den Strom aus stärkeren Leitungen aufzunehmen haben, sind
Schmelzsicherungen14 angebracht, um zu verhüten, dass bei zufälligem
Wechsel zwischen den Hauptleitungen ein zu starker Strom in die
schwächeren Leitungen einträte und diese zum Glühen und Schmelzen
brächte. Insbesondere sind solche Schmelzsicherungen, die bei dem
Eintritt einer gewissen Stromstärke die Leitungen unterbrechen, an den
Stellen, wo die Leitungen in die Häuser eingeführt werden, unbedingt
erforderlich, um Feuers- und Lebensgefahr zu verhüten. Auch in den
Hausleitungen selbst sind die einzelnen Lampen oder Lampengruppen
mittels solcher Schmelzsicherungen zu schützen. In den Hausanlagen
selbst werden die Leitungen, die in der Regel durch Umspinnung mit
Baumwolle isoliert sind, mittels kleiner isolierender Porzellanrollen an
Wänden und Decken befestigt oder durch isolierende Röhren aus Karton15
oder Hartgummi unterhalb des Wandverputzes16 und durch die Wände
selbst von einem Raume in den andern geführt.
Zum Aus- und Einschalten17 der Lampen und anderer elektrischer
Apparate werden Schalter18 von verschiedenen Formen und Einrichtungen
benutzt. Ausser diesen sind noch die Umschalter19 zu erwähnen, welche
dazu dienen, den Strom in einer Leitung auszuschalten und dabei
gleichzeitig[Pg 66] dafür in eine andere Leitung überzuführen oder seine
Richtung umzukehren. Diese Apparate sind mit zwei gegenüberstehenden
Kontaktsystemen versehen, so dass der Hebel beim Umlegen das eine
Kontaktsystem aus- und dafür das andere einschaltet.
38.
Die elektrische Kraftübertragung. Der Gleichstrommotor1 kann bei
geeigneter Konstruktion mit einem sehr hohen Wirkungsgrade2
hergestellt werden, der selbst bei den kleinsten Motoren etwa 56 Prozent
der zugeführten elektrischen Kraft und bei grösseren Motoren mindestens
85 Prozent beträgt. Indessen ist bei diesem Motor der Stromwender3 ein
ziemlich empfindlicher Teil, der4 mit Sorgfalt zu behandeln ist und
durch Funkensprühen5 leicht zu Störungen Anlass geben6 kann, ja
sogar seine Anwendung an solchen Orten, wo leicht entzündliche Stoffe
vorhanden sind, wie z. B. in Steinkohlengruben7 mit häufig
vorkommenden schlagenden Wettern8, verbietet. Auch ist der Gleichstrom
für Fernleitung wegen der verhältnismässig sehr geringen Spannung9,
mit welcher er zu erzeugen ist, nicht anwendbar, weil er für die
Uebertragung grösserer Kraftleistungen starke Querschnitte10 der
Leitung verlangt, wodurch die Anlage zu kostspielig wird. Man hat unter
diesen Umständen hochgespannte Wechselströme zu benutzen. Der einfache
Wechselstrom ist jedoch insofern unbequem11, als er zur Erregung
seines Magnetfeldes einen Gleichstrom braucht und daher zu dessen
Erzeugung einer besonderen Maschine bedarf. Ferner kann auch ein solcher
Motor nicht von selber angehen12, sondern muss zuerst in der
gewünschten Richtung in Umdrehung versetzt werden, bis er eine13 der
Stromwechselzahl und seiner eigenen Einrichtung ent[Pg 67]sprechende
Geschwindigkeit angenommen hat, bevor er seine Arbeit verrichten kann;
denn wird er bei zu geringer Geschwindigkeit belastet, so kommt er
alsbald wieder zum Stillstand. Ueberhaupt14 muss er, um arbeitsfähig
zu sein, in den15 durch seine Ankerdrehung unter der Einwirkung seines
Magnetfeldes hervorgerufenen Stromwechseln mit der den Strom ihm
liefernden Wechselstrommaschine übereinstimmen16. Man nennt daher den
einfachen oder einphasigen Wechselstrommotor auch synchronen Motor.
Um diesem Uebelstand abzuhelfen, brachte man, anstatt des17 bei dem
einphasigen Wechselstrommotor vorhandenen, einfach hin und her
schwingenden Magnetfeldes, ein rotierendes Magnetfeld zur Wirkung. So
entstand der Dreiphasenmotor oder eigentlich Drehstrommotor, bei welchem
die Leitung nur drei Drähte erfordert und dessen Drehfeld als praktisch
ganz gleichmässig anzusehen ist, weil die Winkelgeschwindigkeit des
Motors keinen merklichen Schwankungen unterliegt18. Da derartige19
Motoren von der Umdrehungsgeschwindigkeit des Generators ganz unabhängig
ihre Arbeit verrichten, so nennt man sie auch asynchrone20 Motoren.
39.
CHEMIE.
Die Chemie ist die Lehre von den Eigenschaften1 und Umwandlungen2
der Elemente der Natur und von ihren Verbindungen. Sowohl die Elemente
wie ihre Verbindungen nennt man Stoffe3. Man kann daher die Chemie
auch als die Lehre von den Stoffen, ihren Eigenschaften und Umwandlungen
bezeichnen.
Elemente der Natur oder chemische Grundstoffe4 nennt man diejenigen
Stoffe, welche wir bis jetzt nicht in andere[Pg 68] Stoffe zu spalten oder zu
zerlegen vermögen und daher als chemisch einfach oder unzersetzbar
betrachten, ohne dass5 mit Bestimmtheit gesagt werden kann, dass sie
wirklich unzersetzbar sind. Aus den chemischen Grundstoffen baut sich
die ganze körperliche Welt vom einfachen Mineral bis zur Pflanze und dem
Tier auf.
Jedes Element besitzt eigenthümliche Merkmale6, die man teils
physikalische, teils chemische Eigenschaften oder chemisches
Verhalten7 nennt.
Die physikalischen Eigenschaften beziehen sich hauptsächlich auf den
Aggregatzustand und alles damit Zusammenhängende.
Unter dem Aggregatzustande der Stoffe versteht man die Eigenschaft
derselben, je nach den auf sie einwirkenden Druck- und
Temperaturverhältnissen8, entweder den luftförmigen (gasförmigen) oder
den flüssigen oder den festen Zustand anzunehmen.
Im gasförmigen Zustande nimmt9 die Materie den grössten Raum ein,
besitzt keinen Zusammenhang, und vermag daher keine selbstständige Form
oder Gestalt anzunehmen, sondern erfüllt jeden Raum, den man ihr bietet,
vollständig. Lässt10 man in einen mit einem Gase erfüllten Raum ein
zweites Gas einströmen, so verbreitet sich letzteres allmählig
(vorausgesetzt dass die Gase nicht chemisch auf einander einwirken) in
dem Raume ebenso gleichmässig, wie wenn kein anderes Gas vorhanden wäre.
Man nennt dies die Diffusion der Gase. In der atmosphärischen Luft sind
Sauerstoff- und Stickstoffgas11 mit einander diffundiert.
Nach Boyle vermindert sich bei12 allen Gasen der Raum, den ein Gas
einnimmt, im umgekehrten Verhältnis zum Druck. Lässt man z. B. auf ein
Gas, das einen Raum von 100 l erfüllt, einen doppelten Druck wirken, so
wird dadurch[Pg 69] das Gas auf sein halbes Volumen, also auf 50 l,
zusammengepresst.
Nach Gay-Lussac dehnen sich alle Gase bei gleicher Temperaturzunahme im
gleichen Verhältnisse aus und umgekehrt; oder, wenn man ihnen die
Ausdehnung nicht gestattet, so erhöht sich der Druck, den die Gase auf
die Wandungen des sie umschliessenden Gefässes ausüben, bei allen Gasen
im gleichen Verhältnis zur Temperaturzunahme und umgekehrt. Der Wert,
um13 welchen sich die Gase bei gleichbleibendem Druck für je 1° C. der
Zunahme oder Abnahme der Temperatur ausdehnen oder zusammenziehen, der
sogenannte Ausdehnungskoefficient, ist 0,00367 oder 1/273 des
ursprünglichen Volumens. Diese Gesetze haben sich bei späteren Prüfungen
nicht als ganz, sondern nur als annähernd richtig erwiesen.
Durch geeignete Mittel kann ein Gas in eine Flüssigkeit, eine
Flüssigkeit in ein Gas, oder ein fester Körper zuerst in eine
Flüssigkeit und diese in ein Gas verwandelt werden.
40.
Alle Gase lassen1 sich, die einen leichter2, die anderen
schwieriger2, in den flüssigen Zustand überführen (verdichten,
verflüssigen), wenn man sie unter genügender Abkühlung einem genügend
hohen Drucke unterwirft.
Erhitzt man eine flüchtige Flüssigkeit, so beginnt sie bei einer
bestimmten3 Temperatur, welche man ihren Siedepunkt nennt, oft unter
lebhafter Bewegung Dampfblasen zu entwickeln, zu sieden, und dabei4 in
den dampfförmigen Zustand überzugehen. Das Sieden hängt davon ab5,
dass die sich aus der Flüssigkeit entwickelnden6 Dämpfe eine genügende
Spannung7 (Dampfdruck) besitzen, um den auf der Oberfläche der
Flüssigkeit wirkenden Druck (z. B. den Luftdruck) zu überwinden, also8
unter Verdrängung der[Pg 70] Luft von der Flüssigkeit emporsteigen zu können.
Je grösser der auf die Flüssigkeit wirkende Druck ist, desto höhere
Temperatur ist nötig, um dieselbe zum Sieden zu bringen. Bei normalem
Luftdruck von 760 mm Quecksilbersäule des Barometers siedet das Wasser
bei 100° und entwickelt dabei Wasserdampf von 1 Atm. Spannung oder
Dampfdruck. Bei halbem Luftdruck oder 380 mm Quecksilbersäule siedet das
Wasser schon bei 82°; bei 1/4 Luftdruck schon bei 66°.
Dementsprechend9 vermindert sich auch der Druck der aufsteigenden
Dämpfe auf 1/2 und 1/4 Atmosphären. Bei verdoppeltem Druck steigt der
Siedepunkt des Wassers auf 121°; bei 3 Atm. Druck auf 135°.
Um die Siedepunkte verschiedener Flüssigkeiten miteinander vergleichen
zu können, bezieht10 man dieselben immer auf den gewöhnlichen
Luftdruck von 760 mm.
Für viele Flüssigkeiten ist der Siedepunkt ein gutes Merkmal11 zu
ihrer Erkennung12 und ein Mittel zu ihrer Reindarstellung13 durch
Destillation aus Mischungen mit anderen Flüssigkeiten.
Eine besondere Art der Verflüssigung erleiden die Gase durch ihre
Eigenschaft, sich in verschiedenen Flüssigkeiten zu lösen, dabei von der
Flüssigkeit aufgenommen (absorbiert) zu werden und damit ein homogenes
flüssiges Gemenge zu bilden. Die Löslichkeit der Gase in Wasser z. B.
ist sehr verschieden. 1 Vol. Wasser von 0° C. und 760 mm Druck löst 0,04
Vol. Sauerstoff, 1,8 Vol. Kohlensäure14, 4,4 Volumina
Schwefelwasserstoff15, 525 Vol. Chlorwasserstoff16 und sogar 1148
Vol. Ammoniakgas. Bei steigender Temperatur sowie bei Druckverminderung
nimmt17 die Löslichkeit ab.
41.
Viele Flüssigkeiten haben die Eigenschaft, selbst bei[Pg 71] niedrigen
Temperaturen, sich mehr oder weniger rasch zu verflüchtigen1. Man
nennt dies Verdampfung2 oder Verdunstung3. Chloroform z. B.
verdunstet selbst bei niedrigen Temperaturen so rasch, dass es, wenn man
es in einer ungenügend4 verschlossenen Flasche aufbewahrt, vollständig
aus derselben verschwindet.
Die Verflüssigung der festen Körper durch Erhitzung nennt man Schmelzen,
und den Temperaturgrad, bei welchem die Schmelzung vor sich geht5, den
Schmelzpunkt. Lässt man den geschmolzenen Körper unter seinen
Schmelzpunkt abkühlen, so wird er wieder fest. Der Temperaturgrad, bei
welchem dies geschieht, wird Erstarrungspunkt, beim Wasser Gefrierpunkt
genannt.
Manche Stoffe, z. B. Arsentrioxyd, Kalomel, Kampfer, verwandeln sich
beim Erhitzen, ohne vorher zu schmelzen, in Dampf, welcher sich, mit
genügend abgekühlten Flächen in Berührung gebracht6, direkt wieder zu
festen Körpern verdichtet. Diese Art der Verflüchtigung wird Sublimation
genannt. Man kann jedoch auch schmelzbare Körper, wie Jod7,
Benzoesäure, sublimieren, wenn man das Erhitzen im luftverdünnten8
oder luftleeren Raume vornimmt, oder wenn man sie nicht ganz bis zu
ihrem Schmelzpunkte erhitzt.
Die Verflüssigung fester Körper in Flüssigkeiten nennt man lösen9. Ein
fester Körper ist löslich9, wenn er sich in der Flüssigkeit (dem
Lösungsmittel), mit welcher man ihn in Berührung bringt, zu einer völlig
homogenen flüssigen Mischung, der Lösung9, verteilt.
Je nachdem sich ein Körper nicht oder nur langsam und in
verhältnismässig geringer Menge, oder rasch und in grosser Menge löst,
unterscheidet man unlösliche, schwer- und leichtlösliche Körper. In
Wasser z. B. sind Kreide, Glas, Fett unlöslich, gebrannter Kalk, Gips,
Weinstein10[Pg 72] schwer, Chlorcalcium11, Pottasche, Zucker leicht
auflöslich. Pottasche, Chlorcalcium und manche andere Stoffe ziehen
sogar Feuchtigkeit aus der Luft an und verwandeln sich infolgedessen12
beim Liegen an der Luft von selbst in eine wässerige Lösung; man nennt
sie zerfliesslich.13
Hat man von einem festen Körper so viel in der Flüssigkeit gelöst, als
letztere davon zu lösen vermag, so ist die Lösung eine konzentrierte
oder gesättigte, andernfalls eine verdünnte oder ungesättigte. Bei den
meisten Körpern nimmt14 die Löslichkeit im Verhältnis der
Temperaturerhöhung zu. Bei 15° braucht 1 Teil Weinstein z. B. um sich zu
lösen 220, bei 100° nur 15 Teile Wasser. Lässt man eine heiss gesättigte
Lösung abkühlen, so scheidet15 sich, und zwar16 meistens in
Krystallen, derjenige Teil des gelösten Stoffes aus, der sich bei der
niedrigen Temperatur nicht mehr gelöst zu halten vermag.
Je grösser die Oberfläche eines Körpers, desto grösser ist seine
Absorptionsfähigkeit für Gase. Dichte, feinporige Holzkohle absorbiert
im frisch ausgeglühten Zustande von Ammoniakgas ihr 90faches, von
Kohlensäuregas ihr 35faches, von Sauerstoffgas ihr 9faches und von
Wasserstoffgas ihr 2faches Volumen. Fein verteiltes Platin
(Platinmohr17) absorbiert viele Gase, vor allen aber Sauerstoff, von
welchem es mehr als sein 200faches Volumen auf seiner Oberfläche
verdichtet.
42.
Die Dichte der Stoffe wird nach dem Gewichte beurteilt, welches
bestimmte Volumina derselben besitzen. Als Einheit1 hat man für feste
und flüssige Körper das Wasser in seinem dichtesten Zustande (von +4°
C.), für die Gase die atmosphärische Luft bei 0° und 76 cm
Quecksilberdruck gewählt.[Pg 73]
Die Zahlen, welche sich ergeben, wenn man die Gewichte ein und desselben
Volumens, (nämlich je eines Kubikcentimeters) der festen, flüssigen und
gasförmigen Stoffe bei 0° und 76 cm Quecksilberdruck bestimmt und in
Grammen ausdrückt, werden spezifisches Gewicht genannt.
Bei den festen und flüssigen Körpern besteht kein Unterschied zwischen
den die Dichte und den das spez. Gew. angebenden Zahlen. Die Zahl 10,5
bezeichnet sowohl die Dichte wie das spez. Gew. des Silbers, je nachdem
damit ausgedrückt werden soll, dass das Silber 10,5 mal schwerer sei als
ein gleiches Volumen Wasser, oder dass. 1 ccm Silber 10,5 g wiege,
wobei2 es wichtig ist, zu wissen, dass 1 ccm Wasser von +4° = 1 g
wiegt.
Bei den Gasen dagegen stimmen3 die auf deren Dichte und spez. Gew.
bezüglichen4 Zahlen nicht überein, weil sich die Dichtigkeitswerte auf
ein gleiches Volumen von Luft als Einheit, die spez. Gewichtszahlen
dagegen auf das in Grammen von je 1 ccm, also auf 1 g Wasser als Einheit
beziehen.
Die Dichte der Luft ist bei 0° und 76 cm Quecksilberdruck = 1; das spez.
Gew. der Luft dagegen, d. h. das Gewicht von je 1 ccm Luft von
mittlerer5 Zusammensetzung6 bei 0° und 76 cm Quecksilberdruck ist =
0,001293 g.
Chemische Verbindungen. Schwefel und Quecksilber sind als Elemente
bekannt. Jeder kennt den gelben Schwefel und das Quecksilber, dieses
flüssige Metall von der Farbe und dem Glanze des Silbers. Bei ihrer
chemischen Vereinigung verlieren diese beiden Elemente ihre
charakteristischen Eigenschaften und bilden ein neues Produkt, den als
feurig rote Mineralfarbe geschätzten Zinnober. In dem Zinnober vermag
man aber selbst mit dem besten Mikroscope weder Schwefelteile noch
Quecksilberteile zu entdecken;[Pg 74] auch entzieht Schwefelkohlenstoff,
welcher sonst den Schwefel leicht auflöst, dem Zinnober keine Spur des
in ihm mit dem Quecksilber verbundenen Schwefels.
Ganz anders verhalten sich mechanische Mischungen, in welchen, selbst
wenn die Mischung noch so innig ist, doch die einzelnen Bestandteile
ihre ursprünglichen Eigenschaften beibehalten. Eine solche möglichst
innige Mischung ist z. B. das Schiesspulver. Die Bestandtheile desselben
sind: Salpeter, Schwefel und Kohle. Durch Uebergiessen mit Wasser kann
man dem Schiesspulver den Salpeter, und durch Behandeln mit
Schwefelkohlenstoff den Schwefel entziehen, so dass zuletzt nur die
Kohle übrig bleibt. Bei einer wirklichen chemischen Verbindung ist eine
derartige Trennung der einzelnen Bestandteile durch blosse Extraktion
mit verschiedenen Lösungsmitteln nicht möglich.
43.
Die Entstehung1, die Umwandlungen2 und Zersetzungen3 chemischer
Verbindungen4, überhaupt alle Veränderungen, welche die Stoffe in
ihrer chemischen Zusammensetzung erleiden, werden als chemische Vorgänge
bezeichnet. Trennen sich die in einer chemischen Verbindung enthaltenen
Elemente voneinander, so findet eine Zersetzung statt. Scheidet sich aus
einer Verbindung nur ein Teil der darin enthaltenen Elemente aus, oder
treten neue Elemente ein, so erfolgt eine Umsetzung oder Umwandlung. Ein
chemischer Vorgang kann noch so5 verschiedenartig verlaufen, so
besitzen die dabei neu entstandenen6 Stoffe zusammen immer genau
wieder dasselbe Gewicht wie die ursprünglichen. Im ewigen Wechsel des
Werdens und Vergehens gelangen7 die Elemente aus einer Verbindung in
eine andere, ohne sich dabei zu verändern und ohne dass dabei8 ein
Stäubchen derselben verloren geht. Die Elemente sind unvergänglich.[Pg 75]
Jede chemische Verbindung hat eine bestimmte, unveränderliche
Zusammensetzung, gleichgültig9 auf welche Weise sie entstanden ist.
Die beiden Bestandteile des Chlorwasserstoffs10 z. B., Wasserstoff11
und Chlor12 können sich nicht in jedem beliebigen13, sondern nur in
einem einzigen Verhältnisse14 miteinander vereinigen, nämlich so dass
ein Gewichtsteil15 Wasserstoff genau 35,37 Gewichtsteile Chlor
aufnimmt. Sind von dem einen oder anderen mehr Gewichtsteile da, als
diesem Verhältnis entsprechen, so bleibt der Ueberschuss unverbunden.
Viele Elemente und zusammengesetzte Körper vereinigen sich nicht nur in
einem, sondern in mehreren verschiedenen aber bestimmten
Gewichtsverhältnissen mit einander, derart16, dass die höheren
Verbindungsgewichte stets Multipla der niedrigsten sind.
Stickstoff17 und Sauerstoff können fünf verschiedene Verbindungen mit
einander bilden. Diese enthalten auf je 100 Gewichtsteile Stickstoff
57,1 114,3 171,4 228,6 und 285,7 Gewichtsteile Sauerstoff, also18
Zahlen, die sich wie 1:2:3:4:5 zu einander verhalten, also in multiplem
Verhältnis stehen.
Man versteht unter Atom die kleinste Gewichtsmenge, mit welcher die
Elemente in eine chemische Verbindung eingehen, und unter Molekül, die
kleinste Gewichtsmenge, in welcher ein Körper im freien Zustande zu
existieren vermag.
Kein Körper, sei er Element oder chemische Verbindung, bildet eine
absolut zusammenhängende Masse. Bei allen Körpern hat man sich die
einfachen Atome, sowie die Atomgruppen, die Moleküle, aus denen sie
bestehen, als äusserst kleine, mit dem besten Mikroskop nicht sichtbare,
daher direkt nicht wägbare Teilchen zu denken, die durch[Pg 76] Zwischenräume
getrennt bleiben, welche vielmal grösser als die Atome und Moleküle,
aber dennoch wegen ihrer Kleinheit unsichtbar sind.
44.
Infolge1 dieser Beschaffenheit2 sind die Atome und Moleküle für
sich3 frei beweglich und aneinander verschiebbar, was4 zur Erklärung
vieler Erscheinungen von grosser Bedeutung ist. Man muss sich mit der
Auffassung5 vertraut machen, dass selbst der festeste Körper aus
beweglichen, durch Zwischenräume getrennten Molekülen besteht und dem
Auge nur deshalb als kompakte Masse erscheint, weil dasselbe die kleinen
Moleküle und deren Zwischenräume nicht zu erkennen vermag. Auch der
Wald, aus genügender Entfernung betrachtet, bildet eine kompakte Masse,
in welcher das Auge weder die einzelnen Bäume, noch die zwischen
diesen6 vorhandenen Lücken zu unterscheiden vermag.
Die chemische Verbindung der gasförmigen Elemente erfolgt7, wie zuerst
Gay-Lussac entdeckte, nicht nur in bestimmten Gewichts- sondern auch in
bestimmten einfachen Volumenverhältnissen8. Bildet sich dabei ein
gasförmiges Produkt, so steht auch das Volumen des Produktes in einem
einfachen Verhältnisse zum Volumen der ursprünglichen Gase.
Da sich die Gase unter denselben Verhältnissen des Druckes und der
Temperatur in gleicher Weise zusammenziehen oder ausdehnen, und da sie
dem Zusammendrücken einen nahezu gleichen Widerstand entgegensetzen, kam
Avogadro zu dem Schluss9, dass alle Gase, gleiche Temperatur und
gleichen Druck vorausgesetzt, im gleichen Volumen eine gleich grosse
Anzahl von Molekülen enthalten.[Pg 77] Die Gasmoleküle besitzen also unter
gleichen physikalischen Verhältnissen gleiche Dimensionen.
Ein bestimmtes Volumen, z. B. 1 l, ob mit Chlor oder Wasserstoff
gefüllt, enthält also eine gleich grosse Anzahl Moleküle. Chlor und
Wasserstoff verbinden sich nun im Verhältnis gleicher Volumina mit
einander, also z. B. je 1 l Chlor mit je 1 l Wasserstoff unter Bildung
von 2 l Chlorwasserstoffgas. Nimmt10 man nun beispielsweise11 an,
dass in den 2 l Chlorwasserstoffgas 1000 Moleküle vorhanden sind, so
befinden sich in je 1 l davon nur halb so viel, also 500 solcher
Moleküle, und nach Avogadros’ Lehrsatz enthält dementsprechend12 auch
je 1 l Chlor 500 Chlormoleküle und je 1 l Wasserstoff 500
Wasserstoffmoleküle. In jedem Molekül Chlorwasserstoff ist aber 1 Atom
Wasserstoff mit 1 Atom Chlor vereinigt. Es13 müssen daher 1000
Moleküle Chlorwasserstoff aus 1000 Atomen Wasserstoff und 1000 Atomen
Chlor bestehen. Da nun aber 1 l Wasserstoff, sowie 1 l Chlor nicht 1000,
sondern nur 500 Moleküle enthalten, so folgt, dass diese 500 Moleküle je
1000 Atomen entsprechen14, oder dass jedes einzelne Molekül
Wasserstoffgas aus 2 Atomen Wasserstoff, und jedes einzelne Molekül
Chlor aus 2 Atomen Chlor besteht.
45.
Mischt man die beiden Gase H und Cl im Dunkeln und bei gewöhnlicher
Temperatur, so erfolgt keine Vereinigung. Lässt man dann auf die
Mischung direktes Sonnenlicht oder einen brennenden Körper oder einen
elektrischen Funken wirken, so vereinigen sich die Gase plötzlich mit
heftigem Knall zu Chlorwasserstoff. Diese und viele ähnliche
Verbindungserscheinungen würden schwer erklärlich sein ohne die
Annahme1, dass sich in den Gasen keine freien, sondern[Pg 78] nur gepaarte
Atome, z. B. aus je zwei Atomen zusammengesetzte Chlormoleküle und
Wasserstoffmoleküle vorfinden. Es bedarf zunächst2 der Arbeit des
Trennens der im Molekül vereinigten Atomen zu freien Atomen, bevor eine
neue Verbindung entstehen kann, bevor sich also die Atome in neuer Weise
gruppieren können. Diese Arbeit wird im vorliegenden Falle durch den
Sonnenstrahl oder die Hitze des brennenden Körpers oder elektrischen
Funkens eingeleitet3 und pflanzt4 sich dann infolge der durch die
Vereinigung entstehenden Wärme, von selbst über die ganze Masse fort.
Als Ursache der chemischen Vereinigung denkt man sich zwischen den
Atomen der Elemente eine Art Anziehungskraft wirkend, welche nicht
allein die Vereinigung veranlasst5, sondern zugleich die mehr oder
weniger grosse Beständigkeit6 der unter ihrem Einfluss entstandenen
chemischen Verbindungen bedingt. Diese Kraft wird Affinität, chemische
Verwandtschaft, chemische Anziehungskraft genannt. Sie unterscheidet
sich dadurch von der allgemeinen Anziehungskraft der Massen aufeinander,
dass sie nur zwischen den kleinsten Teilchen, und nur auf unmessbar
kleine Entfernungen zur Wirkung kommen kann.
Manche Elemente verbinden sich direkt mit einander, d. h. bei blosser
Berührung; andere können nur indirekt, auf Umwegen7, andere gar nicht
miteinander verbunden werden. Je nachdem sich zwei Elemente leicht,
schwer oder gar nicht miteinander verbinden lassen, sagt man gewöhnlich:
Die beiden Elemente besitzen eine grosse, geringe oder gar keine
chemische Verwandtschaft8 zu einander.
Die Atome der verschiedenen Elemente besitzen eine verschiedene, jedoch
bestimmte und begrenzte Fähigkeit9, sich mit anderen Atomen zu
verbinden. Bezieht man diese Fähigkeit, die sogen.10 Valenz, auf die
Verbindungsverhält[Pg 79]nisse der Elemente mit Wasserstoff, so findet man,
dass sich ein Teil der Elemente nur mit 1, ein anderer Teil mit 2, 3 und
4 Atomen Wasserstoff zu verbinden vermag. Dementsprechend11
unterscheidet man einwertige,12 zweiwertige, dreiwertige und
vierwertige Elemente. In den organischen Verbindungen bewahren13 die
hauptsächlich beteiligten Elemente die ihren Atomen eigene Valenz. In
denselben ist der Kohlenstoff14 konstant vierwertig, der Sauerstoff
konstant zweiwertig, der Wasserstoff konstant einwertig.
46.
Säuren nennt man diejenigen Verbindungen des Wasserstoffs mit
elektronegativen Elementen oder Radikalen, welche sich mit den Basen bei
Gegenwart1 und unter gleichzeitiger Bildung von Wasser zu Salzen
umsetzen2. Die in Wasser löslichen Säuren besitzen gewöhnlich einen
mehr oder weniger sauren Geschmack, sowie eine saure Reaktion, infolge
deren sie blaues Lackmuspapier3 röten.
Die Säuren, ähnlich wie die Elementaratome, besitzen eine verschiedene
Wertigkeit4 oder Sättigungskapazität5. Salpetersäure HNO3 bedarf
zu ihrer Sättigung oder Neutralisation, d. h. zur Bildung eines
neutralen Salzes, nur ein Molekül Kaliumhydroxyd (Aetzkali6) KOH,
wobei ihr einziges Wasserstoffatom durch Kalium ersetzt wird und
Salpeter KNO3 entsteht. Solche Säuren nennt man einbasisch. Die
Schwefelsäure H2SO4 ist zweibasisch, denn sie hat zwei durch
Metalle oder Radikale ersetzbare7 Wasserstoffatome. Sie gebraucht zur
Sättigung zwei Moleküle einer Basis mit einem einwertigen Metall (z. B.
Aetzkali), oder ein Molekül einer Basis mit zweiwertigem Metall (z. B.
[Pg 80]Kalkhydrat Ca(OH)2). Lässt man nur ein Molekül Aetzkali auf
Schwefelsäure wirken, so kann nur ein Atom H der Säure durch ein Atom K
des Kalis ersetzt werden, wodurch ein unvollständig gesättigtes,
sogen.8 saures Salz, das saure Kaliumsulfat KHSO4, entsteht.
Basen nennt man solche Verbindungen des Wasserstoffs mit
elektropositiven Elementen oder Radikalen, welche sich mit den Säuren,
bei Gegenwart und unter Bildung von Wasser, zu Salzen umsetzen. Wenige
in Wasser lösliche Basen, namentlich9 Alkalien, besitzen einen
alkalischen (laugenartigen10) Geschmack und eine alkalische Reaktion,
indem11 sie die blaue Farbe des durch Säuren geröteten Lackmuspapiers
wieder herstellen11. Je nach der Sättigungskapazität unterscheidet man
einsäurige Basen, die, wie z. B. das Aetzkali KOH, je einem Molekül
Wasser entsprechen und je ein Molekül einer einbasischen Säure
neutralisieren; ferner zweisäurige und dreisäurige Basen.
Erfolgt die12 Sättigung einer mehrsäurigen Basis nicht vollständig,
werden z. B. in dem Wismuthydroxyd Bi(OH)3 nur zwei der
vertretbaren13 Wasserstoffatome durch zwei Moleküle einer einbasischen
Säure vertreten, so erhält man ein unvollständig gesättigtes, sogen.8
basisches Salz.
Die Produkte der gegenseitigen vollständigen oder teilweisen
Wechselwirkung14 oder Sättigung zwischen Säuren und Basen nennt man
Salze. Sind die Wasserstoffatome einer mehrbasischen Säure durch Atome
zweier verschiedener Metalle vertreten, so wird das entsprechende
Produkt Doppelsalz genannt.
47.
Verfahren1 zur Darstellung2 des Wasserstoffs. Man wirft kleine
Stücke von metallischem Zink oder Eisen in eine Flasche, übergiesst
dieselben mit Wasser und lässt durch[Pg 81] das3 bis in das eingefüllte
Wasser tauchende Einflussrohr von Zeit zu Zeit etwas verdünnte
Schwefelsäure (aus 1 Teil konzentrierter Schwefelsäure und 8 Teilen
Wasser gemischt) zufliessen. Unter lebhaftem Aufbrausen4 entwickelt
sich, ohne dass man zu erwärmen braucht, das Wasserstoffgas, welches,
nachdem alle Luft aus der Flasche durch dasselbe verdrängt worden ist,
dann rein durch das Gasentwickelungsrohr5 entweicht und in mit Wasser
gefüllten Gefässen unter Wasser angesammelt werden kann. Will man das
Wasserstoffgas reiner erhalten, um z. B. Luftballons damit zu füllen, so
muss man es erst durch Wasser leiten, um mit übergerissene
Säureanteile6 zu beseitigen, und dann lässt man es, um es zu
entwässern, durch ein mit geschmolzenem Chlorcalcium gefülltes Glasrohr
strömen. Die Wasserstoffgasentwickelung beruht darauf7, dass das Zink
den in der Schwefelsäure gebundenen8 Wasserstoff verdrängt, wobei9
sich Zinksulfat bildet, welches in dem vorhandenen Wasser gelöst bleibt:
H2SO4 und Zn setzen sich um10 zu ZnSO4 und H2.
Von grossem Interesse ist auch die direkte Zersetzung des Wassers durch
den elektrischen Strom. Zu diesem Behufe11 lässt man die Pole einer
genügend starken galvanischen Batterie in schwach mit Schwefelsäure
angesäuertes Wasser ausmünden12 und stülpt13 zugleich über jeden Pol
ein mit Wasser gefülltes Glasröhrchen. An dem -Pole sammelt sich das
Wasserstoffgas und an dem +Pole das Sauerstoffgas an. Da das Wasser aus
2 Volumen Wasserstoff und nur 1 Volum Sauerstoff besteht, so sammelt
sich doppelt so viel Gas in dem Röhrchen des ersteren an.
48.
Sauerstoff. Der Sauerstoff ist auf der Erde das verbreitetste1
Element; die Luft enthält 21 Prozent, das Wasser[Pg 82] 88,8 Prozent und die
Gesteine enthalten über 40 Prozent Sauerstoff. Zur Darstellung des
Sauerstoffs in kleinerem Massstabe2 vermischt man Kaliumchlorat mit
ungefähr 1/10 seines Gewichts fein gepulvertem Braunstein und füllt die
Mischung in eine Retorte von Glas oder Gusseisen, die man mittels eines
durchbohrten Korks oder einer Röhre von vulkanisiertem Kautschuk mit
einer nicht zu engen Glasröhre verbindet. Die Retorte setzt man auf ein
Stativ3 und erhitzt sie durch eine Spiritus- oder Gasflamme. Die
Gasentwickelungsröhre4 lässt man in ein geräumiges, mit Wasser
gefülltes Becken, eine sogen. pneumatische Wanne5, ausmünden und
sammelt das Gas in mit Wasser gefüllten Cylindern, Flaschen, oder, wenn
man grössere Mengen davon darstellt, in Gasometern. Infolge der
Erhitzung entwickelt sich aus dem Kaliumchlorat sehr bald eine grosse
Menge (39,16 Prozent) von reinem Sauerstoffgas. Der Braunstein hat hier
nur den Zweck, der ganzen Masse des Kaliumchlorats die Wärme rasch
mitzuteilen, da das Kaliumchlorat für sich6 ein schlechter Wärmeleiter
ist.
Der Sauerstoff ist ein farbloses, durchsichtiges, geruch- und
geschmackloses Gas. Bei niedrigen Kältegraden und unter gleichzeitiger
Anwendung eines hohen Druckes lässt sich der Sauerstoff zur Flüssigkeit
verdichten. Seine kritische Temperatur liegt bei -118,9°. Bei dieser
Temperatur genügt ein Druck von 50,8 Atmosphären, um den Sauerstoff zu
verflüssigen. Bei noch niedrigeren Temperaturen genügt ein noch
niedrigerer Druck. Der Sauerstoff ist derjenige Bestandteil der Luft,
welcher den Verbrennungsprozess unterhält. Er verbindet sich hierbei mit
dem brennenden Körper. Diesen Vorgang nennen wir Oxydation; die Produkte
der Verbrennung heissen je nach7 der Menge des in der[Pg 83] Verbindung
enthaltenen Sauerstoffs Oxydul8, Oxyd, Superoxyd9 etc.
Stickstoff10 und Sauerstoff z. B. können in fünf verschiedenen
Verhältnissen mit einander verbunden werden:
- Stickstoffoxydul N2O
- Stickstoffoxyd NO
- Stickstoffsesquioxyd N2O3
- Stickstoffdioxyd NO2
- Stickstoffpentoxyd N2O5
49.
Die Salpetersäure HNO3, Molekulargewicht = 62,58, spez. Gew. bei 0°
= 1,56, bei 15° = 1,530, kommt auf der Erde hauptsächlich in der Form
von Salzen, den Nitraten, vor, z. B. als salpetersaures1 Kali
(Kalisalpeter), und ganz besonders als salpetersaures Natron
(Chilesalpeter), letzteres in ungeheuren Lagern in einigen Distrikten
Chiles und Perus. Zur Darstellung der Salpetersäure benutzt man
hauptsächlich den Chilesalpeter, indem man2 4 Gewichtsteile desselben
mit 4-1/2 Gewichtsteilen englischer Schwefelsäure langsam destilliert,
wobei die Salpetersäure übergeht3, während Natriumhydrosulfat
zurückbleibt. 1 Molekül Chilesalpeter NaNO3 wird nämlich4 zersetzt
durch 1 Molekül Schwefelsäure H2SO4, zu HNO3 und zu NaHSO4.
Destilliert man den Salpeter mit einer geringeren Menge von
Schwefelsäure, als oben angegeben wurde, oder erhitzt ein Gemenge von
Chilesalpeter und Thonerde zum Glühen, so erhält man eine mit
Untersalpetersäure5 verunreinigte Salpetersäure von sehr ätzender
Wirkung als rotgelbe Flüssigkeit, die sogen.6 rote rauchende
Salpetersäure. Die reine Salpetersäure ist eine farblose, an der Luft
stark rauchende Flüssigkeit, die bei 86° siedet, bei -40° zu einer[Pg 84]
farblosen Krystallmasse erstarrt. Mit Wasser mischt sie sich in jedem
Verhältnis. Der Säuregehalt7 der Mischung wird durch das spezifische
Gewicht bestimmt. Die gewöhnliche konzentrierte Säure des Handels
besitzt bei 15,5° das spez. Gew. 1,41 entsprechend einem Gehalt an
reiner Salpetersäure von 68 Prozent; ihr Siedepunkt liegt bei 123°. Die
Salpetersäure färbt die Haut und manche organische Stoffe gelb, wirkt
überhaupt sehr ätzend8 und zerstörend und muss mit Vorsicht behandelt
werden. Sie ist ziemlich unbeständig9 und zersetzt sich schon unter
dem Einfluss des Lichts (2 HNO3=2 NO2 + H2O + O), wobei sie
wegen des Stickstoffdioxydgehalts eine gelbe Farbe annimmt. Der durch
den gasförmig entweichenden Sauerstoff ausgeübte Druck kann
dichtgeschlossene Gefässe zersprengen. Es empfiehlt sich daher, die
Salpetersäure in kühlen Räumen vor Licht geschützt aufzubewahren.
Infolge ihrer leichten Zersetzbarkeit unter Sauerstoffabgabe ist die
Salpetersäure ein starkes Oxydationsmittel. Die meisten Metalle werden
von ihr oxydiert. Die gebildeten Oxyde10 lösen sich fast alle (nicht
z. B. Zinn und Antimon) in der überschüssigen Säure11 zu
salpetersauren Salzen, Nitraten. Ihrer Eigenschaft, Silber zu lösen und
Gold nicht anzugreifen, verdankt die Salpetersäure den Namen
Scheidewasser12, weil man sie schon früher dazu benutzte, um damit
Gold vom Silber zu scheiden. Die Salpetersäure hat in der chemischen
Industrie, besonders zur Darstellung vieler sogenannter
Nitroverbindungen (Nitrobenzol, Schiessbaumwolle, Dynamit etc.) eine
sehr bedeutende Anwendung gefunden. Mit dem drei- bis vierfachen Volumen
Salzsäure vermischt, bildet sie eine gelbe, stark nach Chlor riechende
Flüssigkeit, welche Gold und Platin auflöst und Königswasser13 genannt
wird.[Pg 85]
50.
Die Schwefelsäure H2SO4, Molekulargewicht = 97,35, spez. Gew. =
1,854, ist auf der Erde in der Form ihrer Salze sehr verbreitet. Sie
bildet sich beim Zusammentritt1 von Schwefeltrioxyd und Wasser.
Schwefeltrioxyd entsteht leicht durch Oxydation von schwefliger Säure
SO2 mittels des Sauerstoffs der Luft. Findet dieser Prozess bei
Gegenwart von Wasser statt, so wird direkt aus der schwefligen Säure
Schwefelsäure gewonnen:
SO2+O+H2O=H2SO4.
Diese Entstehungsart2 ist die Grundlage der grossartigen
Schwefelsäureindustrie.
Auf geeigneten Herden3 wird Schwefel zu schwefliger Säure4 verbrannt
(S+O2=SO2) oder es5 werden in geeigneten Rostöfen natürlich
vorkommende Metallsulfide, z. B. Schwefelkies (FeS2), Zinkblende
(ZnS), Bleiglanz (PbS) in der Glühhitze bei Luftzutritt oxydiert, wobei
sich der Schwefel der Sulfide ganz oder teilweise in schwefligsaures Gas
verwandelt, z. B.
4 FeS2+ 11 O2 = 2 Fe2O3 (Eisenoxyd)+ 8 SO2
Die bei dieser Reaktion entstehende Wärme ist genügend, um den
Röstprozess ohne besondere Feuerung zu unterhalten. Die zum grössten
Teil aus schwefliger Säure bestehenden Röstgase werden in Bleikammern
mit Wasserdampf und Salpetersäure zusammengebracht, wobei man dafür
sorgt6, dass gleichzeitig immer frische Luft zutreten kann und dass im
Innern der Kammern eine Temperatur von ungefähr 40° herrscht. Während
nun die schweflige Säure durch die Bleikammern strömt und gleichzeitig
mit Luft und den Dämpfen der Salpetersäure bei Vorhandensein7 von
Wasser in Berührung kommt, wird sie durch den Sauerstoff der
Salpetersäure zu Schwefelsäure oxydiert,[Pg 86] während sich die Salpetersäure
zu Stickstoffdioxyd (Untersalpetersäure8) reduziert. Sobald aber
letzteres mit den vorhandenen Wasserdämpfen in Berührung kommt,
zerfällt9 es zu Salpetersäure, die von neuem eine entsprechende Menge
von schwefliger Säure zu Schwefelsäure oxydiert, und zu Stickstoffoxyd,
das unter Aufnahme von Sauerstoff aus der in der Kammer vorhandenen Luft
von neuem in Stickstoffdioxyd übergeht10, so dass also eine kleine
Menge Salpetersäure genügt, um grosse Mengen von schwefliger Säure in
Schwefelsäure überzuführen11.
Die Schwefelsäure des Handels, zuweilen auch englische Schwefelsäure
oder Vitriolöl genannt, ist eine farblose, durchsichtige, geruchlose
Flüssigkeit von 1,83 Dichte und einem Gehalt von 98 Prozent
Schwefelsäure neben 2 Prozent Wasser; oder im reinsten,
konzentriertesten Zustande von 1,854 Dichte. Sie besitzt einen brennend
scharfen, ätzenden, oder, wenn mit viel Wasser verdünnt, rein sauren
Geschmack, siedet bei 338° oder wenn ihre Dichte nur 1,83 bei 326°. Auf
die meisten organischen Substanzen wirkt sie zerstörend ein, verkohlt
z. B. Holz, Stärke, Zucker, löst Haut und Leder auf und wirkt daher
innerlich genossen12, im konzentrierten Zustande als ätzendes,
heftiges Gift. Will man Schwefelsäure verdünnen, so muss die Säure
langsam und unter Umrühren in das Wasser gegossen werden. Giesst man
unvorsichtigerweise wenig Wasser zu Schwefelsäure, so entsteht oft
heftiges Spritzen der Flüssigkeit, wodurch man leicht beschädigt werden
könnte. Je mehr man die Säure mit Wasser verdünnt, desto niedriger wird
ihre Dichte. Man muss die Schwefelsäure in gut mit Glasstöpsel
verschlossenen Flaschen aufbewahren, da sie sonst, die Feuchtigkeit aus
der Luft anziehend, allmählig verdünnter wird.[Pg 87]
51.
Mit den Metalloxyden setzt sich die Schwefelsäure unter meist sehr
heftiger Einwirkung1 zu schwefelsauren Salzen, Sulfaten oder Vitriolen
um, von welchen sich viele oft massenhaft in der Natur finden; so z. B.
das Kaliumsulfat oder das schwefelsaure Kali, das Natriumsulfat oder das
schwefelsaure Natron (Glaubersalz), das Bariumsulfat oder der
schwefelsaure Baryt (Schwerspat), das Strontiumsulfat oder der
schwefelsaure Strontian (Cölestin), das Calciumsulfat oder der
schwefelsaure Kalk2 (Gips, Anhydrid), das Magnesiumsulfat oder die
schwefelsaure Magnesia (Bittersalz3), das Bleisulfat oder das
schwefelsaure Bleioxyd (Bleivitriol) und viele andere. Die Schwefelsäure
ist eine der unentbehrlichsten chemischen Verbindungen und wird bei
chemischen Operationen massenhaft4 und zu den verschiedensten Zwecken
gebraucht. Ausser der englischen Schwefelsäure, welche man auch nur
kurzweg als Schwefelsäure bezeichnet, erhält man im Handel noch die
sogen. Nordhäuser- oder rauchende Schwefelsäure, rauchendes Vitriolöl,
neuerdings Oleum genannt, eine bräunliche, ölige, äusserst ätzende, an
der Luft weisse, stechend saure Dämpfe ausstossende Flüssigkeit von 1,88
bis 1,93 Dichte, die eine Mischung der gewöhnlichen Schwefelsäure mit
Schwefelsäureanhydrid ist. Dieses Oleum findet in der chemischen
Technik5 eine immer steigende Verwendung, z. B. in der
Farbenfabrikation, zur Lösung des Indigos, zur Reinigung gewisser
Mineralöle etc. Wird das Oleum auf 80° erwärmt, so destilliert
Schwefelsäureanhydrid ab, das auf diese Weise leicht in geringen Mengen
dargestellt werden kann.
Natron. Was man im Handel Natron oder Aetznatron6 nennt, ist stets
Natriumhydroxyd oder Natronhydrat NaOH. Es wird im kleinen7
dargestellt, indem man8 zu einer sieden[Pg 88]den Lösung von 4 Teilen
krystallisierter Soda in 24 Teilen Wasser allmählig und unter Umrühren
einen aus 1-1/2 Teilen gebranntem Kalk und 4 Teilen Wasser bereiteten
Kalkbrei9 hinzufügt und so lange kocht, bis eine herausgenommene
filtrierte Probe beim Versetzen10 mit verdünnter Salzsäure nicht mehr
aufbraust. Der Kessel, in welchem diese Zersetzung vorgenommen wird,
wird hierauf bedeckt, und nachdem sich das gebildete Calciumkarbonat zu
Boden gesetzt hat, zieht man mit einem Heber die klare
Natronhydratlösung, die sogen. ätzende Lauge, Seifensiederlauge,
Aetznatronlauge, Natronlauge ab und dampft11 sie in eisernen Kesseln
oder silbernen Schalen12 so weit ein, bis ein Tropfen der Flüssigkeit
auf einer kalten Glastafel sogleich erstarrt. Im grossen13 gewinnt man
zur Zeit das Natriumhydroxyd hauptsächlich auf elektrolytischem Wege.
Das Aetznatron ist eine weisse, undurchsichtige, faserige oder körnige
Masse von 2,13 Dichte. In der Rotglühhitze schmilzt es zur farblosen
Flüssigkeit; in der Weissglühhitze ist es flüchtig. Es zieht aus der
Luft mit Begierde14 Feuchtigkeit und Kohlensäure an, löst sich im
Wasser unter Erhitzung in fast jedem Verhältnisse auf, wirkt äusserst
ätzend (zerstörend) auf organische, namentlich tierische Substanzen ein.
Seine wässerige Lösung, die Natronlauge, benutzt man zur
Seifenfabrikation, zum Bleichen, Reinigen und Waschen von Stoffen und in
der Chemie zur Darstellung vieler chemischer Präparate oder
Einleitung15 chemischer Zersetzungen.
Die Natronsalze sind mit Ausnahme des Natriumantimonats, antimonsauren
Natrons, in Wasser sämtlich16 löslich und meistens aus ihren Lösungen
leicht krystallisierbar. Sie zeichnen sich dadurch aus17, dass sie,
mit Salzsäure befeuchtet und mit Weingeist übergossen, wenn dieser
entzündet wird, der Flamme eine lebhafte gelbe Farbe erteilen.[Pg 89]
52.
Soda. Das neutrale kohlensaure Natron Na2CO3 + 10 H2O ist
eines der wichtigsten Salze und wird daher im grossartigsten
Massstabe1 fabriziert. Am häufigsten benutzt man zu seiner Fabrikation
das Kochsalz. Zu diesem Behufe wird nach dem Verfahren von Leblanc das
Kochsalz zunächst durch Erhitzen mit Schwefelsäure zersetzt und in
Glaubersalz übergeführt. Diese Erhitzung findet in besonderen Oefen
statt, die so konstruirt sind, dass alles2 bei der Zersetzung des
Kochsalzes durch die Schwefelsäure frei werdende Chlorwasserstoffgas
behufs3 seiner Verdichtung durch Wasser und Ueberführung in
verkäufliche Salzsäure abgeleitet werden kann. Zuletzt wird das
entstandene Glaubersalz bis zum Glühen erhitzt und dann in den
Sodaschmelzöfen mit ungefähr seinem gleichen Gewicht von Calciumkarbonat
und zwei Dritteilen Anthracit oder Steinkohle unter fortwährendem
Durcharbeiten der Masse bis zum Schmelzen erhitzt, wobei zunächst
infolge der reduzierenden Einwirkung des Kohlenstoffs das Glaubersalz zu
Schwefelnatrium reduziert wird, welches sich mit dem Calciumkarbonat zu
Natriumkarbonat (Soda) und zu Calciumoxysulfid umsetzt.4 Aus der
geschmolzenen Masse wird durch Wasser das Natriumkarbonat ausgezogen und
durch Verdunsten dieser Auflösung in Krystallen bereitet5, muss aber
dann durch nochmaliges6 Umkrystallisieren weiter gereinigt werden.
Nach dem seit 1870 im grossen zur Anwendung gekommenen Verfahren7 von
Solvay, löst man in konzentriertem, aus Gaswasser dargestelltem
Aetzammoniak Kochsalz auf und leitet in diese Lösung unter einem Drucke
von 2 Atmosphären Kohlensäuregas, wobei sich Natriumdikarbonat bildet,
das herauskrystallisiert, während Salmiak8 in[Pg 90] Lösung bleibt. Durch
Erhitzen wird das Natriumdikarbonat in Soda übergeführt und die dabei
entweichende Kohlensäure wieder von neuem verwendet. Den gleichzeitig
entstandenen Salmiak zersetzt man immer wieder durch Kalk, um von Neuem
Ammoniak daraus abzuscheiden, wobei sich als letztes Produkt
Chlorcalcium bildet. Bei diesem Verfahren erspart man die mühevollen
Schmelzoperationen; aber man gewinnt keine Salzsäure, die zu den
unentbehrlichsten Chemikalien gehört und beim Leblanc-Verfahren als
billiges Nebenprodukt entsteht.
In neuester Zeit stellt9 man auch aus dem elektrolytisch gewonnenen
Natriumhydroxyd Soda her, indem man10 durch Einleiten von Kohlensäure
zunächst Natriumdikarbonat (doppeltkohlensaures Natron) erzeugt.
53.
Das Eisen findet sich nur in den aus dem Weltraume auf die Erde
gefallenen Meteoriten gediegen1, sonst mit Sauerstoff oder Schwefel
verbunden. Wir kennen kaum ein Gestein, das nicht mindestens Spuren von
Eisen enthält, und kaum eine Pflanze, die bei der Verbrennung nicht eine
eisenhaltige2 Asche hinterlässt. Auch findet es sich im tierischen und
menschlichen Körper. Im chemisch reinen Zustand ist es fast silberweiss,
metallisch glänzend, sehr weich, geschmeidig und hämmerbar, von 7,844
Dichte, schmilzt erst bei über 1600°, hält sich3 in trockener Luft; in
feuchter Luft dagegen beginnt es unter Aufnahme von Sauerstoff zu
rosten. Es löst sich leicht in verdünnter Salpetersäure, Salzsäure und
Schwefelsäure auf. Im konzentrierten Zustande dagegen greifen4 diese
Säuren, namentlich die Schwefelsäure das Eisen selbst in der Hitze nicht
an. Es wird vom Magnete angezogen. Da es von allen Metallen das[Pg 91]
wichtigste ist, wird es aus seinen Erzen, namentlich dem natürlichen
Eisenoxyd, Eisenoxydhydrat, Magneteisen und Eisenkarbonat,
hüttenmännisch5 in grossartigstem Massstabe abgeschieden.
Das Roheisen6 ist die unreinste Eisensorte. Es wird durch den sogen.
Hochofenprozess7 abgeschieden. Zur Gewinnung des Roheisens werden
nötigenfalls die Eisenerze behufs8 Austreibung von Wasser, Schwefel,
Arsen u. dergl.9 zunächst geröstet. Dann werden die Eisenerze mit
Koks10 (seltener mit Holzkohle) und einem die Schmelzung
vermittelnden11 Gestein (Kalkstein, Quarz u. dergl.) von oben in den
glühenden Hochofen aufgeschüttet, während von unten erhitzte Luft
zuströmt. Die Kohle reduziert die Eisenoxyde zu metallischem Eisen, das
sich unter der Schlacke12, dem geschmolzenen Gestein sammelt, während
glühende Gase, die sogen. Gichtgase13, oben aus dem Ofen entweichen.
Die Schlacke fliesst beständig ab; das Roheisen wird von Zeit zu Zeit
abgelassen. Der Hochofen wird ununterbrochen, Tag und Nacht im
Betriebe14 erhalten. Das weisse Roheisen lässt sich nicht mit
Werkzeugen verarbeiten. Es schmilzt bei 1000 bis 1200°, ist aber im
geschmolzenen Zustande dickflüssig15 und zum Giessen nicht geeignet;
dagegen ist es das Hauptmaterial zur Schmiedeisen- und Stahlfabrikation.
Zur letzteren benutzt man besonders eine grossblätterige16, lebhaft
glänzende, 5 bis 20 Prozent Mangan enthaltende Sorte, welche unter dem
Namen Spiegeleisen bekannt ist.
Das graue Roheisen ist von körnigem17, nicht krystallinischem
Gefüge18, ziemlich weich und zähe, bricht jedoch, wie das weisse
Roheisen, unter den Schlägen des Hammers, lässt sich dagegen feilen,
bohren, drehen, überhaupt mit den verschiedensten Werkzeugen
verarbeiten. Es schmilzt bei[Pg 92] etwa 1100°, ist im geschmolzenen Zustande
dünnflüssig und daher zum Giessen geeignet, weshalb man es gewöhnlich
Gusseisen nennt.
Das Schmiedeeisen19 oder Stabeisen20 ist das reinste Eisen, das zur
technischen Verwendung kommt. Es enthält nur 0,2 bis 0,5 Prozent
Kohlenstoff, besitzt eine Dichte von 7,5 bis 7,85 und ist weich,
geschmeidig und zäh. Sowohl im kalten wie besonders im glühenden Zustand
ist es hämmerbar und streckbar21 und lässt sich mit den
verschiedensten Werkzeugen bearbeiten. In der Weissglühhitze erweicht es
und wird schweissbar22, d. h. es können mehrere durch Glühhitze
erweichte Stücke durch Druck und Schlag, z. B. unter einem Dampfhammer
zu einem Stück verbunden, zusammengeschweisst werden. Auch kann dies
erweichte glühende Eisen unter Walzen und Hämmern zu Schienen, Blechen
etc. ausgewalzt oder in die verschiedenartigsten Formen gebracht werden.
54.
Das Schmiedeeisen schmilzt erst bei 1600° und lässt sich nicht giessen.
Es wird nicht direkt aus den Eisenerzen, sondern aus dem Roheisen
dargestellt, indem1 man letzteres einem oxydierenden Schmelzprozesse,
entweder nach alter Art, dem sogenannten Frischen oder Puddeln, oder
nach neuer Art, dem Bessemer- oder Martinverfahren unterwirft, wobei2
die im Roheisen enthaltenen Stoffe bis auf einen kleinen Teil des
Kohlenstoffs verbrennen und sich als Schlacke ausscheiden, während
Schmiedeeisen zurückbleibt.
Der Stahl enthält 0,6 bis 1,9 Prozent Kohlenstoff, der fast vollständig
chemisch mit dem Eisen verbunden ist. Seine Dichte ist 7,7 bis 7,85. Es
ist licht grauweiss, erscheint auf dem Bruche stets körnig, jedoch
dichter und gleich[Pg 93]mässiger als das Stabeisen; er lässt sich schmieden
und walzen und bleibt dabei immer körnig, wird also nicht sehnig3 wie
das Schmiedeeisen; auch mit den verschiedensten Werkzeugen lässt er sich
bearbeiten und wie das Schmiedeeisen schweissen. Bei etwa 1400° schmilzt
er und lässt sich giessen. Die merkwürdigste Veränderung erleidet er
aber, wenn man ihn bis ungefähr zum Kirschrotglühen (800°) erhitzt und
glühend in kaltem Wasser ablöscht4. Hierdurch wird der Stahl glashart,
so dass er Glas ritzt und an Kieselsteinen Funken giebt. Man nennt dies
das Härten des Stahls. Erwärmt man aber den so gehärteten Stahl, z. B.
in Metallbädern, auf 221 bis 322°, so verliert er unter Annahme
verschiedener Farben (hellgelb, strohgelb, hafergelb, goldgelb, orange,
braun, purpurfleckig, purpurrot, hellblau oder violett, dunkelblau und
schwarzblau) in dem Verhältnisse wie die Temperatur steigt, an seiner
Härte, und nimmt dagegen an seiner Elastizität zu. Diese Operation nennt
man Anlassen oder Adoucieren5 des Stahls. Der gehärtete Stahl ist
ungemein politurfähig und widersteht der oxydierenden Wirkung der Luft
ziemlich gut. Im allgemeinen übertrifft der Stahl das Schmiedeeisen an
Festigkeit sehr bedeutend und verdrängt das letztere in dem Verhältnisse
als er billiger produziert werden kann mehr und mehr.
Eisen und Sauerstoff verbinden sich direkt mit einander. Man kennt
mindestens drei verschiedene Oxyde.
Das Eisenoxydul, Ferrooxyd6 FeO ist in reinem Zustande wenig bekannt.
Das Eisenoxyd, Ferrioxyd7, Eisensesquioxyd, Fe2O3, findet sich
sehr häufig in der Natur. Wenn metallisches Eisen längere Zeit in
feuchter Luft liegen bleibt, so bildet sich darauf der sogenannte Rost,
der nichts anderes ist als Eisenhydroxyd.[Pg 94]
Eisenoxyd und Eisenoxydul vereinigen sich in verschiedenen Verhältnissen
mit einander, besonders zu Eisenoxyduloxyd Fe3O4, das in der Natur
als Magneteisenstein vorkommt.
Je nachdem sich Eisenoxydul oder Eisenoxyd mit Säuren zu Salzen umsetzt,
erhalten wir Ferrosalze oder Ferrisalze.
So unterscheidet man z. B. das Ferrosulfat, das schwefelsaure
Eisenoxydul FeSO4 + 7 H2O, auch Eisenvitriol, grüner Vitriol
genannt, von dem Ferrisulfat, dem schwefelsauren Eisenoxyd
Fe2(SO4)3.
Mit Chlor bildet das Eisen das Ferrochlorid, Eisenchlorür8 FeCl2
und das Ferrichlorid, Eisenchlorid Fe2Cl6 oder richtiger
Fe2Cl3.
Eisen und Schwefel verbinden sich sehr leicht direkt mit einander. Man
kennt mindestens drei verschiedene Eisensulfide: das Ferrosulfid,
Einfachschwefeleisen6 FeS, das Ferrisulfid, Eisensesquisulfid
Fe2S3, und das Eisendisulfid, Zweifachschwefeleisen9 FeS2.
55.
Benzolreihe. Die wichtigeren1, besonders die niedrigeren1 Glieder
der Benzolreihe findet man in dem2 durch trockene Destillation der
Steinkohlen behufs der Leuchtgasbereitung entstehenden Steinkohlenteer,
zum Teil auch im Steinkohlenleuchtgas selbst, und benutzt beide Produkte
zu ihrer Fabrikation, die in grossem Massstabe betrieben wird, und
darauf beruht3, dass man den Kohlenteer der fraktionierten
Destillation unterwirft und die Produkte nach4 ihren Siedpunkten
trennt und durch verschiedene Manipulationen reinigt. In neuerer Zeit
werden auch beträchtliche Mengen von Benzol und Homologen (Toluol,
Xylol, Cumol etc.)[Pg 95] aus dem Gase der Koksöfen gewonnen. Bei diesem
Prozess entstehen bedeutende Mengen von Gas, welches durch geeignete,
mit schweren Teerölen beschickte5 Absorptionsapparate geleitet wird,
wobei das Teeröl das im Gas enthaltene Benzol samt Homologen zurückhält.
Durch Einblasen von gespanntem Wasserdampf entzieht man dem vorher
erhitzten Oel das absorbierte Benzol wieder, da letzteres mit
Wasserdämpfen leicht flüchtig ist. Die Kohlenwasserstoffe der
Benzolreihe6 lassen sich unter dem Einflusse verschiedener chemischer
Agentien leicht in unbegrenzt viele neue Verbindungen überführen. Mit
Chlor, Brom und Jod geben sie Additions- oder Substitutionsprodukte, mit
konzentrierter Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure
Nitroderivate, in welchen ein oder mehrere Wasserstoffatome durch die
Gruppe NO2 ersetzt7 sind. Bei der Einwirkung von konzentrierter
oder von rauchender Schwefelsäure bilden sich Sulfosäuren8: hier wird
ein Wasserstoffatom, oder auch mehrere, durch die Gruppe SO3H
ersetzt. Diese Kohlenwasserstoffe sind infolgedessen nicht allein in
wissenschaftlicher Hinsicht höchst interessant, sondern, da mehrere der
aus ihnen darstellbaren Körper eine bedeutende technische9 Anwendung
gefunden haben, zugleich auch von grosser praktischer Wichtigkeit. Ganz
besonders gilt10 dies vom Benzol C6H6.
Das Benzol ist eine farblose, sehr lichtbrechende, leicht bewegliche
Flüssigkeit von eigentümlichem, nicht sehr unangenehmem Geruch, von 0,89
Dichte, und dadurch ausgezeichnet, dass es bei 0° zu einer blätterig11
krystallinischen Masse oder zu rhombischen Prismen erstarrt. In Wasser
ist es unlöslich, lässt sich dagegen mit Alkohol, Aether, ätherischen
Oelen etc. in jedem Verhältnisse mischen und ist ein vorzügliches
Lösungsmittel für alle Fette, für[Pg 96] Asphalt, Kautschuk, Guttapercha und
viele andere Stoffe. Es ist leicht entzündlich und brennt mit
hellleuchtender, russender12 Flamme.
Bringt man Benzol unter Kühlung mit möglichst konzentrierter, von
niederen Stickstoffoxyden freier Salpetersäure zusammen, so wird es
glatt13 in Nitrobenzol C6H5(NO2) verwandelt. Nach Zusatz von
Wasser scheidet sich das entstandene14 Nitrobenzol als schwere
Flüssigkeit ab, wird gesammelt und mit Wasser gewaschen.
Behandelt man das Nitrobenzol mit Gemischen, welche Wasserstoff
entwickeln, z. B. Eisen und Salzsäure, so wird die Nitrogruppe zu der
Gruppe NH2 (Amingruppe genannt) reduziert und es bildet sich Anilin
(Amidobenzol) C6H5(NH2), eine ölige Flüssigkeit, welche zur
Fabrikation der Anilinfarben eine ausserordentliche technische
Wichtigkeit erlangt hat.[Pg 97]
NOTES.
1.
Observe that this sentence begins with a
verb, but is not a question, nor a command; also that the next clause
begins with so. Under these circumstances supply it at
the beginning.Before translating um, see if the phrase ends with zu and
an infinitive; if so um = in order.seinem Werte nach: according to its value = as regards its
value.indem man … rückt and dadurch, dass man … rückt are two
German ways of saying by moving. Verbs following indem man or dadurch,
dass man should be turned into the English present participle with
by.die … Stelle: the place. This is the compound adjective
construction which is so common in scientific German. Observe how the
phrase is built up:die werdende Stelle the becoming place die leer werdende Stelle the empty-becoming place die dadurch leer werdende Stelle the thereby empty becoming place The article (die) or some other determining word is separated from its
noun (Stelle) by a number of words; but in all cases the word next
before the noun is an adjective or participle (werdende), which in turn
is preceded by a word qualifying it (leer) and so on. In English the
corresponding words follow the noun in the reverse order. This note will
be frequently referred to.
2.
der Nenner, der[Pg 98] Zähler: denominator, numerator.
see 1 Note 9.
darin, dass man … dividiert: in dividing (lit.: in
this, namely that we divide). Darin anticipates and represents the
following clause.der beiden betreffenden Zahlen: of the two numbers in
question.das Glied, Vorderglied, Hinterglied: term, antecedent,
consequent.
3.
soll erhoben werden: is to be raised. Very frequently soll
with an infinitive means is to.der Rest verhält sich zur Summe wie eins zu zwei: the
remainder is to the sum as one is to two. Das Verhältnis: ratio,
relation.See 1 Note 2; zieht … ab (abziehen): subtracts.
4.
Soll; see 3 Note 1.
sieben Meilen zurückgelegt: makes 7 miles. The German mile
varied in different sections from 4.7 to 5.6 U. S. miles.um 306: by 306. Um often means to the amount of, to the
extent of.
5.
die … Linien; see 1 Note 10.
betragen; see 3 Note 5.
Es is merely[Pg 99] introductory; the subject is Seiten.
also; see 2 Note 2.
6.
eine … Figur; see 1 Note 10.
die … senkrechte; see 1 Note 10.
ganz beliebig … gegebene Punkte: points given entirely at
pleasure = any given points whatever.der … Quadrate; see 1 Note 10.
es lässt sich zeigen: it allowes itself to be shown = it
may be shown. A common use of lassen.see 1 Note 9.
7.
gleichlaufend: German equivalent for parallel. In many
cases German uses a foreign word and also a native word for the same
term.die … Seiten; see 1 Note 10.
Die … Senkrechte; see 1 Note 10.
8.
Um um: the first um means in order and belongs to the
infinitive zu beschreiben; the second um means around.eines Vielecks; see 1 Note 10.
zwei … Ebenen; see 1 Note 10.
und zwar: and moreover.[Pg 100]
9.
Ein … Abschnitt; see 1 Note 10.
einem … Denkmale; see 1 Note 10.
10.
das … Normalmeter; see 1 Note 10.
11.
sich gerade befindet: just finds itself = just happens to
be.ein … Körper; see 1 Note 10.
Beispiele is the object of bieten, and für governs
Drehungsbewegungen.
12.
see 1 Note 10.
also; see 2 Note 2.
einer … Marke; see 1 Note 10.
13.
see 1 Note 2.
die … Wege: the paths; see 1 Note 10.
von einem … begriffenen Körper: of a body engaged; see 1
Note 10.see 1 Note 2.
der … Weg: the path; see 1 Note 10
infolge (in[Pg 101] Folge): in consequence.
bei: in the case of (not by.) Bei is of very common
occurence with this meaning, which will generally suggest the proper
preposition (at, with, in etc.) to use in English.
14.
see 1 Note 2.
Observe that the comma is used as a decimal point and the
period as a sign of multiplication.also; see 2 Note 2.
see 1 Note 2.
15.
See 1 Note 2.
bei Verminderung: on diminishing; see 13 Note 12.
musste: had to. Do not translate by must; it is in the
past tense.bei Beurtheilung: in judging; see 13 Note 12.
16.
noch so komplizierten: never so complicated, no matter how
complicated.rollen: the hyphen indicates that hinab belongs also to
rollen: to roll down.einen … Druck; see 1 Note 10.
das Gewinde:[Pg 102] thread.
die Bolzenstärke: thickness of the cylinder. Stärke,
usually strength, also means thickness.See 1 Note 2., arbeitet … aus: works out, hollows out.
See 2 Note 2.
17.
hierbei: in this case (not hereby), Compare 13 Note 12.
wobei: in which; compare 13 Note 12.
einem … Seile; see 1 Note 10.
18.
einer … Flüssigkeit: of a liquid; see 1 Note 10.
Ein … Körper: a body; see 1 Note 10.
Ist … taucht; see 1 Note 2
dabei: in that case; compare 13 Note 12.
eines … Gefässes: of a vessel; see 1 Note 10.
19.
Grössen- und Formänderungen: changes of size and form. The
hyphen indicates that änderungen belongs to Grössen also.spröde:[Pg 103] brittle.
20.
Zwei … Stücke; see 1 Note 10.
Sind; see 1 Note 2.
bei; see 13 Note 12.
21.
lassen sich ungezwungen erklären: may be explained in a
natural (lit. unforced) way.daran … dass: by the fact that; lit. by this, namely
that …, Daran represents the following clause and anticipates it.Besitzen; see 1 Note 2.
22.
der Senkrechte: the vertical, perpendicular; see 1 Note 10.
zwei … Ebenen: two planes. This sentence is an example of
one compound adjective construction within another.bandförmig auseinandergezogen: drawn out in the form of a
ribbon.indem man; see 1 Note 9.
die betreffenden Metalle:[Pg 104] the metals in question.
23.
see 1 Note 9.
bei; see 13 Note 12.
24.
bezw. (beziehungsweise); see 2 Note 10.
bei; see 13 Note 12.
25.
bei; see 13 Note 12.
See 1 Note 9.
See 18 Note 6.
26.
einen beliebig grossen Zwischenraum: a distance as great as
may be desired = any distance.See 13 Note 12.
um; see 24 Note 1.
die Heizungstechnik: heating industry.[Pg 105]
27.
um; see 24 Note 1.
wobei: in which case; see 13 Note 12.
See 13 Note 12.
Aggregatzustandsveränderungen: changes in the state of
aggregation (i. e. from liquid to solid etc.).also; see 2 Note 2.
28.
eine angesaugte und … verdichtete Luftmenge: a sucked up
and … condensed quantity of air.See 13 Note 12.
29.
der Zylinder: cylinder. Some writers change c’s of Latin
Swords to z or k according to the sound.die Steuervorrichtung: lit. appliance for steering =
slide-valve.wobei, hierbei, dabei; see 28 Notes, 4, 10, 13 and 26 Note
6.niedrigerer: lower, note the comparative expressed by the
first er.indem man … verwendete und … antrieb; see 1 Note 9.
30.
[Pg 106]stossen … ab (abstossen): repel.
31.
dadurch, dass man; see 1 Note 9.
32.
also; see 2 Note 2.
dem 300. Teil: to the 300th part. The period after 300
indicates the ending sten.der Schliessungsbogen: closing arc = conductor which closes
the circuit.
33.
die Stromabgabe: current delivery = amount of current
delivered.die E. M. K. (elektromotorische Kraft): electromotive
force.bezw. (beziehungsweise); see 2 Note 10.
34.
die Erregung, Influenz, Induktion: induction (three
synonyms).der[Pg 107] Schenkel: limb, branch.
35.
einem Eisenring: an iron ring. This sentence contains one
compound adjective clause within another.
36.
Betriebsstörungen: disturbances = irregularities in
running.indem man … verwandelt; see 1 Note 9.
Kern- und Manteltransformationen: core and shell
transformers.
37.
in ihrer Gesamtheit: in their totality = all taken
together.Strassenumwühlungen: digging up the streets.[Pg 108]
38.
der is the subject of the three verbs ist, geben kann and
verbietet.
39.
ohne dass … gesagt werden kann: without (our) being able
to say.Druck- und Temperaturverhältnisse: conditions of pressure
and temperature.See 1 Note 2.
See 13 Note 12.
See 24 Note 1.
40.
dabei; see 28 Note 13.
die Span[Pg 109]nung: tension.
41.
ungenügend; recognize the adverb by the absence of
adjective endings and translate: insufficiently.lösen, löslich, die Lösung: to dissolve, soluble, the
solution.
42.
wobei; see 28 Note 4.
43.
gleichgültig (gleichgiltig): indifferent, all the same, no
matter.also: that is to say.[Pg 110]
44.
Verhältnissen, proportions, belongs also to Gewichts- as
indicated by the hyphen.Es is merely introductory; the real subject is 1000
Moleküle.dass diese 500 Moleküle je 1000 Atomen entsprechen: that
each 500 of these molecules correspond to 1000 atoms.
45.
see 18 Note 6.
dementsprechend: see 44 Note 12.
46.
see 18 Note 6.
47.
mit übergerissene Säureanteile: portions of acid[Pg 111] carried
over (with the gas).beruht darauf, dass: is based (lit.: rests) upon the fact
that.wobei sich Zinksulfat bildet: zinc sulphate being formed at
the same time.
48.
49.
indem man; see 1 Note 9.
see 18 Note 6.
No similar term is used in English chemistry. Scheiden: to
separate. Say: aqua fortis.
50.
Untersalpetersäure; see 49 Note 5.
51.
massenhaft: in masses = on a large[Pg 112] scale.
zeichnen sich dadurch aus, dass: are distinguished by the
fact that.
52.
indem man … erzeugt; see 1 Note 9.
53.
hüttenmännisch: metallurgically = by means of the furnace
(die Hütte: furnace).see 34 Note 12.
54.
wobei; see 28 Note 4.
Einfachschwefeleisen, Zweifachschwefeleisen: (simple)
sulphide of iron, bisulphide of iron.[Pg 113]
55.
wichtigeren, niedrigeren: more important, lower; note the
er of the Comparative.
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